OFD Frankfurt/M, Verfuegung v. 13.04.2023, S 7168 A-015-St 16
Infolge der gestiegenen Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern vermieten oder verpachten vermehrt Unternehmer Gebäude an die öffentliche Hand oder die Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften.
1. Langfristige Vermietung oder Verpachtung
Die Verträge werden meist langfristig, d.h. länger als sechs Monate, abgeschlossen. Dabei ist auf die Laufzeit der Verträge abzustellen und nicht auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts der untergebrachten Personen. Auch wenn sich der Miet- oder Pachtzins nach der tatsächlichen Belegung (der Anzahl der jeweils untergebrachten Personen) richtet, liegt keine kurzfristige Vermietung oder Verpachtung vor, wenn der Vertrag insgesamt über mehr als sechs Monate oder unbefristet abgeschlossen wurde.
1.1 Ausschließliche Wohnraumüberlassung
Wird ausschließlich Wohnraum überlassen, sind die Umsätze aus dieser Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei.
1.2 Wohnraumüberlassung zusammen mit der Erbringung weiterer Dienstleistungen
1.2.1 Nebenleistungen
Als übliche Nebenleistungen, die wie die Hauptleistung der Vermietung oder Verpachtung zu besteuern sind, können insbesondere angesehen werden:
- Bereitstellung von Mobiliar
- Versorgung der Einrichtung mit Strom, Wasser und Wärme
- Reinigung der allgemeinen Außen- und Innenbereiche
- Hausmeisterservice
Auch ein pauschaler Abnutzungszuschlag, der vom Mieter gezahlt wird, da er keine Renovierung der angemieteten Räume vorzunehmen hat, ist wie die eigentliche Vermietungsleistung zu besteuern.
1.2.2 Bewirtschaftung von Gemeinschaftsunterkünften
Werden weitere Leistungen erbracht, die üblicherweise nicht im Zusammenhang mit der Vermietung oder Verpachtung von Räumlichkeiten stehen, so sind diese als einheitliche Leistung zu beurteilen. Hierunter fallen unter anderem:
- Verpflegung der untergebrachten Personen
- Zurverfügungstellung und Reinigung der (Bett-)Wäsche
- Waschdienst
- Kontrolle der Zimmer
- Führen von Anwesenheitslisten
- Sicherheitsdienst
- Zurverfügungstellung von Hauspersonal
- Soziale Betreuung der Bewohner
Diese einheitliche Leistung ist nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei (s.u.). Es ist kein Vertrag besonderer Art anzunehmen, weil die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber diesen Leistungen nicht zurücktritt (Abschn. 4.12.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Das FG Düsseldorf entschied mit Urteil vom 09.11.2018, Az. 1 K 3578/15 U, dass die Überlassung einer im Eigentum der Klägerin stehenden Gemeinschaftsunterkunft an eine juristische Person des öffentlichen Rechts einerseits und die weiteren Dienstleistungen der Klägerin zur Bewirtschaftung der Gemeinschaftsunterkunft andererseits zwei sonstige Leistungen seien. Die Vermietungsleistung und die Bewirtschaftungsleistung würden nicht gemeinsam auf einem Vertrag besonderer Art beruhen. Allerdings seien die von der Klägerin – neben der Grundstücksüberlassung als selbstständiger Leistung – erbrachten übrigen Leistungen zur Bewirtschaftung der Gemeinschaftsunterkunft (Unterbringung der Asylbewerber, Bewachung der Unterkunft, soziale Betreuung etc.) als eine einheitliche komplexe sonstige Leistung eigener Art zu beurteilen, die umsatzsteuerpflichtig sei und dem Regelsteuersatz unterliege.
Überdies waren auch verschiedene andere Betreiberverträge für Gemeinschafts-/Flüchtlingsunterkünfte mit Bundesländern, Landkreisen, Städten und Gemeinden Gegenstand des Verfahrens. In diesen Fällen standen die Objekte im Eigentum der juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder wurden ihnen von Dritten zur Verfügung gestellt. Die juristische Person des öffentlichen Rechts als jeweilige Vertragspartnerin überließ der Klägerin das Grundstück entweder entgeltlich oder unentgeltlich zur Bewirtschaftung der Unterkunft. In dem Zusammenhang stellte das FG fest, dass es sich bei den von der Klägerin im Rahmen der jeweiligen Betreiberverträge erbrachten sonstigen Leistungen (Unterbringung, soziale Betreuung, Hausmeisterleistungen, Reinigung etc.) um eine einheitliche komplexe sonstige Leistung eigener Art handele, die weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei sei. Die Klägerin erbringe in diesen Fällen weder Vermietungs- noch Beherbergungsleistungen.
Der BFH hat mit Urteil vom 24.03.2021, V R 1/19, die Auffassung des FG Düsseldorf bezüglich der Beurteilung der Bewirtschaftung der Gemeinschaftsunterkunft als einheitliche Leistung bestätigt. Entgegen der Auffassung des FG beurteilte der BFH diese Leistung jedoch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfrei. Dasselbe gilt auch für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft.
Es handelt sich hierbei um eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung, weil Flüchtlinge zum hilfsbedürftigen und damit begünstigten Personenkreis gehören.
Zudem wurde inzwischen § 4 Nr. 18 UStG (Neufassung zum 01.01.2020) unionsrechtskonform an die Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL angepasst. Dementsprechend sieht die Neufass...