Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
P ist ein Unternehmer, der erfolgreich ein Internetportal in Deutschland betreibt, über das Gutscheine insbesondere gegenüber Endkunden angeboten werden. Jeweils abhängig von den Interessen seiner Vertragspartner tritt er dabei gegenüber den Kunden (Abnehmern der Gutscheine) im eigenen oder auch im fremden Namen auf. Im März 2023 wickelt er u. a. die folgenden Geschäfte ab:
- Von dem bekannten Baumkuchenbäcker B aus Bad Bentheim hat er 100 Gutscheine im Nennwert von je 50 EUR erworben, die er noch im März für jeweils 45 EUR in eigenem Namen an Kunden über sein Portal verkaufen kann. P leitet noch im März vereinbarungsgemäß pro verkauften Gutschein 35 EUR an B weiter. Wie P von B später erfuhr, wurden die Gutscheine zur Hälfte noch im März und zur anderen Hälfte im April für die Bestellung von Baumkuchen bei B verwendet.
- Über den in London ansässigen Unternehmer L bekommt P den Hinweis, dass die in Hessen ansässige Restaurantkette "Good Eat" einen Vertriebspartner für den Verkauf von Restaurantgutscheinen sucht. Nachdem P mit Good Eat einen Vertriebsvertrag abgeschlossen hat, zahlt er im März vereinbarungsgemäß an L 1.000 EUR, nachdem ihm eine Rechnung des L vorliegt. Entsprechend dem Vertriebsvertrag tritt P gegenüber den Käufern der Restaurantgutscheine im fremden Namen auf. Im März kann P 150 Gutscheine über einen Nennwert von jeweils 100 EUR über sein Portal verkaufen. Noch im März leitet P pro verkauftem Gutschein 80 EUR an die Restaurantkette weiter. Die Gutscheine können in den nächsten 3 Jahren in Restaurants der Kette sowohl für Restaurantdienstleistungen in den Gaststätten in Hessen aber auch für Speisenlieferungen nach Hause eingesetzt werden. Von der Restaurantkette erfährt P, dass im März erst 10 Gutscheine eingelöst wurden und im April 40 Gutscheine.
3.2 Fragestellung
P möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich für ihn aus den genannten Geschäften ergeben. Es ist davon auszugehen, dass alle formalen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Unternehmer unterliegen jeweils der Regelbesteuerung (Besteuerung nach vereinbarten Entgelten).
3.3 Lösung
P ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der im Rahmen seines Unternehmens tätig ist und jeweils auch ein Entgelt für die von ihm ausgeführten Leistungen erhält. Ob die von ihm ausgeführten Leistungen als Lieferungen oder als sonstige Leistungen anzusehen sind, hängt von seinem Auftreten gegenüber den Abnehmern ab. Bei den veräußerten Gutscheinen handelt es sich um Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 13 UStG, da aus diesen jeweils eine Leistung gefordert werden kann.
Abgrenzung zu Preisermäßigungsgutscheinen
Ein Gutschein i. S. d. § 3 Abs. 13 ff. UStG muss zur Einlösung für Gegenstände oder sonstige Leistungen verwendet werden können. In der Praxis häufig auch als "Gutscheine" bezeichnete andere Instrumente, die nur einen Preisnachlass oder eine Preisermäßigung ermöglichen (z. B. bei Kauf eines Produkts ermäßigt sich der Kaufpreis um 20 %), unterliegen nicht den Rechtsfolgen nach § 3 Abs. 13 ff. UStG.
3.3.1 Verkauf der Gutscheine des B
Bei dem Verkauf der Gutscheine des B tritt P gegenüber den jeweiligen Käufern im eigenen Namen auf. Deshalb handelt P in diesem Fall nicht als Vermittler. Der Gutschein stellt einen Einzweck-Gutschein nach § 3 Abs. 14 UStG dar, da sowohl der Ort der zu erbingenden Leistung (hier Bad Bentheim, Deutschland) als auch der Steuersatz zum Zeitpunkt des Verkaufs des Gutscheins dem Grunde nach feststeht. Der Verkauf von Baumkuchen unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein
Der Einzweck-Gutschein soll nach den Vorgaben der Finanzverwaltung als solcher gekennzeichnet sein und die Identität des leistenden Unternehmers aufnehmen. Darüber hinaus soll die "Gattung" des jeweiligen Leistungstatbestands auf dem Gutschein angegeben sein. Dies sind alles Hinweise und Angaben, die sich nicht aus dem Gesetz ableiten lassen und von der Finanzverwaltung zusätzlich als Anforderungen aufgenommen worden sind. Ob diese zusätzlichen Voraussetzungen auch in Streitfällen gerichtlich bestätigt werden, muss abgewartet werden.
Bei einem Einzweck-Gutschein gilt die jeweils aus dem Gutschein zu erbringende Leistung fiktiv im Zeitpunkt des Verkaufs (Ausgabe bzw. Übertragung) des Gutscheins als ausgeführt. Da P im eigenen Namen gegenüber seinen Abnehmern auftritt, liegt einerseits eine Lieferung der Baumkuchen zwischen B und P und andererseits eine Lieferung der Baumkuchen zwischen P und seinen Abnehmern vor.
Die fiktive Lieferung des P gegenüber seinen Kunden ist als Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG anzusehen. Der Ort der Lieferung ist in Bad Bentheim und damit im Inland. Die im Rahmen der Lieferungsfiktion ausgeführten Leistungen des P sind im Inland steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und in Ermangelung einer Steuerbefreiung nach § 4 UStG auch steuerpflichtig. Da die Kunden jeweils 45 EUR an P pro Gutschein zahlen, enthält dieser Betrag die Umsatzsteuer von 7 % nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Die Bemessun...