2.1 Bestimmung des erlangten Vermögensvorteils nach dem "Bruttoprinzip"
Bei der Bemessung der Vermögensabschöpfung folgt das Gericht dem sogenannten "Bruttoprinzip". Das Prinzip, welches 1992 eingeführt und durch eine Reform präzisiert wurde, besagt, dass sämtliche Vermögenswerte abgeschöpft werden können, die dem Täter durch die Verwirklichung der Straftat in irgendeiner Phase zugeflossen sind. Die Reform brachte Klarheit darüber, wie der erlangte Vermögensvorteil bestimmt werden soll.
Zweistufige Prüfung zur Bestimmung des Vermögensvorteils
- Gegenständliche Betrachtung: Im ersten Schritt wird das Erlangte nur in Bezug auf seine wirtschaftlichen Vorteile betrachtet, die durch die Straftat erlangt wurde. Herbei werden sämtliche Vorteile berücksichtigt, die der Täter durch die Tat erlangt hat.
- Wertenden Aspekte: Im zweiten Schritt werden wertende Gesichtspunkte berücksichtigt. Hier können gesetzlich gerechtfertigte Aufwendungen und Gegenleistungen abgezogen werden. Ein Abzug ist jedoch nur dann zulässig, wenn er gesetzlich gerechtfertigt ist. Bei selbst verursachten Kosten für die Vorbereitung oder Begehung einer Straftat greift ein gesetzliches Abzugsverbot, um zu verhindern, dass Investitionen in illegalen Aktivitäten durch Abschöpfung umgangen werden.
2.2 Sachverhalte aus dem Unternehmensalltag
Für viele Unternehmen stellt sich die Frage, inwiefern sie von einer Vermögensabschöpfung durch die Behörden betroffen sein können und wie sich diese verschärften Regelungen im Unternehmensalltag auswirken. In den meisten Unternehmen sind Korruption, Verstöße gegen Arbeitssicherheit oder Sozialversicherungsbetrug ein häufiges Problem. Durch die Reform ist es Behörden nunmehr möglich, Vermögen aus solchen Straftaten bei einem Unternehmen abzuschöpfen. Dabei ist es sekundär, ob das Unternehmen vorsätzlich, fahrlässig oder unwissentlich handelt.
2.2.1 Kartellrecht: Preisabsprachen
Das Bundeskartellamt verfolgt derzeit verstärkt illegale Kartelle und verhängt hohe Bußgelder gegen beteiligte Personen und Unternehmen. Ein illegales Kartell besteht aus Wettbewerbern, die sich auf einem Markt abstimmen, um den Wettbewerb zu beschränken oder auszuschalten. Eine besonders häufige Form dieser illegalen Absprachen sind Preisabsprachen. Dabei treffen die Anbieter von Waren oder Dienstleistungen unzulässige Absprachen, um den Marktpreis durch einheitliche Höchst- oder Mindestpreise auf einem bestimmten Niveau zu halten.
Preisabsprache zwischen Tankstellenbetreibern
In einer Kleinstadt gibt es genau 3 Tankstellen, nämlich Tankstelle A, B und C. Nun beschließen die Tankstellenbetreiber dieser 3 Tankstellen, ihre Benzinpreise ab 16:00 Uhr immer gleich hoch zu halten. Den Einwohnern bleibt damit nichts anderes übrig, als das teure Benzin zu tanken. Sie haben keine Ausweichmöglichkeit auf eine günstigere Tankstelle, da alle 3 Tankstellen die gleichen hohen Preise zur gleichen Uhrzeit anbieten. Dabei handelt es sich um ein illegales Kartell, die Tankstellenbetreiber verstoßen somit gegen das Kartellrecht. Da in diesem Fall die Tankstellen einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Preisabsprache erreichen, können die Behörden Teile des Vermögens bei den Unternehmen abschöpfen.
2.2.2 Korruption
Die Reform des Vermögensabschöpfungsrechts wirkt sich in der Praxis insbesondere auf die Korruptionssachverhalte aus. Die Bestechung ist eine der häufigsten Straftaten in Unternehmen. Häufig erhalten Unternehmen durch eine Bestechungstat einen Auftrag, durch den für das Unternehmen ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht. Insbesondere in diesen Konstellationen stellt die Bestimmung des erlangten Vermögenswerts für die Behörden eine große Schwierigkeit dar:
Bestechungsgeld für Bauauftrag
Ein Bauunternehmen zahlt ein Bestechungsgeld von 5.000 EUR an einen Mitarbeiter des Auftraggebers und erhält aufgrund dessen einen Auftrag in Höhe von 50.000 EUR. Für die Erfüllung des Bauauftrages entstehen dem Bauunternehmen Kosten in Höhe von 20.000 EUR. Die Behörden können diesem Fall Vermögen abschöpfen, allerdings besteht die Möglichkeit, die Aufwendungen des Bauunternehmens abzuziehen. Dies wird im Einzelfall zu Schwierigkeiten führen und ist bislang umstritten. Auf der einen Seite wurden die 20.000 EUR zur Erfüllung des Vertrages ausgegeben und sollten daher abzugsfähig sein. Auf der anderen Seite wurde das Geld jedoch zur Ausführung der Tat (Bestechung) aufgewendet. Ob die Aufwendungen (von 20.000 EUR) unter das Abzugsverbot fallen oder nicht, wird die Behörde im Einzelfall zu entscheiden haben. Fest steht jedoch, dass das gezahlte Bestechungsgeld von 5.000 EUR unter das Abzugsverbot fällt und damit bei der Bemessung der Vermögensabschöpfung nicht berücksichtigt wird.
2.2.3 Sozialversicherungsbetrug
Der Sozialversicherungsbetrug ist ein häufiges Szenario im Unternehmensalltag. Bei einem Sozialversicherungsbetrug wird das Arbeitsentgelt veruntreut oder vorenthalten. Die Strafbarkeit ist in § 266a StGB geregelt.
Vorsätzliches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen oder Arbeitsentgelt
Der Geschäftsführer einer GmbH meldet seine Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung an. Durch diese Handlung erhä...