Für viele Unternehmen stellt sich die Frage, inwiefern sie von einer Vermögensabschöpfung durch die Behörden betroffen sein können und wie sich diese verschärften Regelungen im Unternehmensalltag auswirken. In den meisten Unternehmen sind Korruption, Verstöße gegen Arbeitssicherheit oder Sozialversicherungsbetrug ein häufiges Problem. Durch die Reform ist es Behörden nunmehr möglich, Vermögen aus solchen Straftaten bei einem Unternehmen abzuschöpfen. Dabei ist es sekundär, ob das Unternehmen vorsätzlich, fahrlässig oder unwissentlich handelt.
2.2.1 Kartellrecht: Preisabsprachen
Das Bundeskartellamt verfolgt derzeit verstärkt illegale Kartelle und verhängt hohe Bußgelder gegen beteiligte Personen und Unternehmen. Ein illegales Kartell besteht aus Wettbewerbern, die sich auf einem Markt abstimmen, um den Wettbewerb zu beschränken oder auszuschalten. Eine besonders häufige Form dieser illegalen Absprachen sind Preisabsprachen. Dabei treffen die Anbieter von Waren oder Dienstleistungen unzulässige Absprachen, um den Marktpreis durch einheitliche Höchst- oder Mindestpreise auf einem bestimmten Niveau zu halten.
Preisabsprache zwischen Tankstellenbetreibern
In einer Kleinstadt gibt es genau 3 Tankstellen, nämlich Tankstelle A, B und C. Nun beschließen die Tankstellenbetreiber dieser 3 Tankstellen, ihre Benzinpreise ab 16:00 Uhr immer gleich hoch zu halten. Den Einwohnern bleibt damit nichts anderes übrig, als das teure Benzin zu tanken. Sie haben keine Ausweichmöglichkeit auf eine günstigere Tankstelle, da alle 3 Tankstellen die gleichen hohen Preise zur gleichen Uhrzeit anbieten. Dabei handelt es sich um ein illegales Kartell, die Tankstellenbetreiber verstoßen somit gegen das Kartellrecht. Da in diesem Fall die Tankstellen einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Preisabsprache erreichen, können die Behörden Teile des Vermögens bei den Unternehmen abschöpfen.
2.2.2 Korruption
Die Reform des Vermögensabschöpfungsrechts wirkt sich in der Praxis insbesondere auf die Korruptionssachverhalte aus. Die Bestechung ist eine der häufigsten Straftaten in Unternehmen. Häufig erhalten Unternehmen durch eine Bestechungstat einen Auftrag, durch den für das Unternehmen ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht. Insbesondere in diesen Konstellationen stellt die Bestimmung des erlangten Vermögenswerts für die Behörden eine große Schwierigkeit dar:
Bestechungsgeld für Bauauftrag
Ein Bauunternehmen zahlt ein Bestechungsgeld von 5.000 EUR an einen Mitarbeiter des Auftraggebers und erhält aufgrund dessen einen Auftrag in Höhe von 50.000 EUR. Für die Erfüllung des Bauauftrages entstehen dem Bauunternehmen Kosten in Höhe von 20.000 EUR. Die Behörden können diesem Fall Vermögen abschöpfen, allerdings besteht die Möglichkeit, die Aufwendungen des Bauunternehmens abzuziehen. Dies wird im Einzelfall zu Schwierigkeiten führen und ist bislang umstritten. Auf der einen Seite wurden die 20.000 EUR zur Erfüllung des Vertrages ausgegeben und sollten daher abzugsfähig sein. Auf der anderen Seite wurde das Geld jedoch zur Ausführung der Tat (Bestechung) aufgewendet. Ob die Aufwendungen (von 20.000 EUR) unter das Abzugsverbot fallen oder nicht, wird die Behörde im Einzelfall zu entscheiden haben. Fest steht jedoch, dass das gezahlte Bestechungsgeld von 5.000 EUR unter das Abzugsverbot fällt und damit bei der Bemessung der Vermögensabschöpfung nicht berücksichtigt wird.
2.2.3 Sozialversicherungsbetrug
Der Sozialversicherungsbetrug ist ein häufiges Szenario im Unternehmensalltag. Bei einem Sozialversicherungsbetrug wird das Arbeitsentgelt veruntreut oder vorenthalten. Die Strafbarkeit ist in § 266a StGB geregelt.
Vorsätzliches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen oder Arbeitsentgelt
Der Geschäftsführer einer GmbH meldet seine Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung an. Durch diese Handlung erhält das Unternehmen einen finanziellen Vorteil aufgrund der Ersparnis an Sozialversicherungsbeiträgen.
Ein weiteres alltägliches Beispiel ist das Vorenthalten von Arbeitsentgelt aufgrund einer finanziellen Notlage. In dieser Situation stellen Unternehmen häufig die Zahlung von Arbeitsentgelt ein, um auf diesem Wege Geld einzusparen. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber durch seine Handlung einen Vermögensvorteil (das etwas Erlangte) für das Unternehmen erzielt. Die Handlung des Arbeitgebers ist strafbar, sodass eine Vermögensabschöpfung von den Behörden angeordnet werden würde. In den beiden Fällen hat das Unternehmen als Dritter einen Vermögensvorteil durch die strafbare Handlung des Geschäftsführers erhalten. Somit würde gem. § 73 Absatz 1 Nr. 1 StGB eine Einziehung bei dem Unternehmen angeordnet werden.
2.2.4 Verstoß gegen die Arbeitssicherheit: Das Einhalten von Lenkzeiten
Bei einem "Vertretungsfall" erhält ein Dritter durch die Handlung des Täters einen Vorteil. Ein klassisches Beispiel für einen Vertretungsfall ist ein Lkw-Fahrer, der seine Lenkzeiten nicht einhält. Der Lkw-Fahrer darf i. d. R. täglich eine Lenkzeit von 9 Stunden nicht überschreiten (Hinweis: 2-mal wöchentlich darf 10 Stunden am Tag gefahren werden). Er fährt täglich 11 Stunden, o...