Kommentar
Zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne , die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs erzielt werden ( § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ). Als Veräußer8jg gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs ( § 16 Abs. 3 EStG ). Wird ein Gewerbebetrieb verpachtet, hat der Verpächter ein Wahlrecht, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe behandeln oder weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb – ohne Versteuerung der stillen Reserven – erzielen will (BFH, Urteil v. 13.11.1963, GrS 1/63, BStBl 1964 III S. 124; gemeinsamer Bund-Länder-Erlaß v. 28.12.1964, BStBl 1965 I S. 4; Betriebsverpachtung ; Betriebsaufgabe ).
Wird ein Gewerbebetrieb zwar verpachtet, ergibt sich jedoch aus den tatsächlichen Umständen eindeutig, daß der Betrieb nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgegebe n wird, so können der Abschluß des Pachtvertrags und die mangelnde Erklärung des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, allein nicht die Aufrechterhaltung des Betriebs bewirken.
So liegt es, wenn der Inhaber einer Drogerie den Geschäftsbetrieb aus Altersgründen (1965) einstellt und ihn einschließlich des Grundstücks mit allen Bestandteilen an ein benachbartes Warenhausunternehmen verpachtet, Inventar und Warenlager an die Pächterin veräußert, diese zum Abbruch der bestehenden Baulichkeiten und nach dem Ableben des Inhabers und seiner Ehefrau zum Grundstückserwerb berechtigt.
Dieser Beurteilung stehen auch die Grundsätze von Treu und Glauben nicht deshalb entgegen, weil der Steuerpflichtige in der Folgezeit (20 Jahre lang) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt hatte, da er rechtsirrtümlich von einer Betriebsverpachtung im ganzen ausgegangen war, die nach ständiger Praxis zum Fortbezug gewerblicher Einkünfte ohne Versteuerung der stillen Reserven führt.
Infolgedessen war der Verkauf der Grundstücke an die Pächterin 1988 bei den Erben des Verpächters nicht mehr – im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb – zu erfassen, so daß die 1965 erfolgte Betriebsaufgabe einschließlich der gesamten stillen Reserven hier unversteuert bleibt!
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 03.06.1997, IX R 2/95
Hinweise:
1. Mit diesem Urteil bestätigte er BFH das Urteil des Niedersächsischen FG v. 10.11.1994 (EFG 1995 S. 810). Die Entscheidung liegt auf der Linie der BFH-Urteile v. 26.3.1991, VIII R 73/87 (BFH/NV 1992 S. 227) und v. 22.10.1992, III R 7/91 (BFH/NV 1993 S. 358), der auch im Schrifttum zugestimmt wird (Schmidt, EStG, 16. Auf., § 16 Rz. 695).
2. Für die Entscheidung des Steuerpflichtigen, mit der Betriebsverpachtung – anstelle der (ermäßigten) Versteuerung der Betriebsaufgabe – weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb – ohne Versteuerung der stillen Reserven – zu erzielen, dürfte auch von Bedeutung sein, daß bei dieser Gestaltung keine Gewerbesteuer mehr anfällt.