Leitsatz
Hat das FA im Klageverfahren die Beiladung eines Dritten gem. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO beantragt, muss das FG dem Antrag entsprechen, wenn bei einem Erfolg der Klage eine Steuerfestsetzung gegenüber dem Dritten möglicherweise zu ändern ist.
Das gilt selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beiladung die Festsetzungsfrist für die Steuer des Dritten bereits abgelaufen ist, das FA den Dritten jedoch zum vorausgegangenen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen hatte.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 174 Abs. 5 Satz 2 EStG , § 174 Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, der eine Arztpraxis betreibt, hatte mit seinen Eltern Arbeitsverträge abgeschlossen, denen das FA nach einer Betriebsprüfung die Anerkennung versagte. Es änderte die Einkommensteuerbescheide des Klägers dahingehend, dass es die den Eltern gezahlten Löhne und die darauf entfallende Lohnsteuer nicht zum Abzug als Betriebsausgabe bei der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers zuließ.
Zum Einspruchsverfahren gegen die Änderungsbescheide hatte das FA die Mutter des Klägers (M) hinzugezogen; der Vater war zwischenzeitlich verstorben.
Im Klageverfahren beantragte das FA die Beiladung der M nach § 174 Abs. 5 AO.
Das FG lehnte dies ab, weil die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der M zwar nicht im Zeitpunkt der Hinzuziehung, jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beiladung abgelaufen gewesen sei.
Entscheidung
Der BFH sah das anders; er hält das FG für verpflichtet, die M zum Verfahren beizuladen.
Zwar komme nach der Rechtsprechung des BFH eine Hinzuziehung oder Beiladung dann nicht in Betracht, wenn gegenüber dem Dritten im Zeitpunkt der Hinzuziehung oder Beiladung die Festsetzungsfrist für den gegen ihn gerichteten Steuerbescheid bereits abgelaufen war. Entscheidend sei jedoch der Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung an dem fremden Verfahren. Im Zeitpunkt der Hinzuziehung der M zum Einspruchsverfahren des Klägers sei aber die Festsetzungsfrist für deren Steuer noch nicht abgelaufen gewesen.
Hinweis
Bei widerstreitenden Steuerfestsetzungen können für den Fall, dass auf Grund eines Rechtsbehelfs ein Steuerbescheid zu Gunsten des Steuerpflichtigen geändert wird, die steuerlichen Folgerungen zuungunsten eines Dritten nur dann gezogen werden, wenn der Dritte an dem Verfahren des Steuerpflichtigen beteiligt war. Beantragt das FA deshalb im Klageverfahren die Beiladung eines Dritten, muss das FG grundsätzlich beiladen, wenn eine Steuerfestsetzung des Dritten sich bei anderer rechtlicher Beurteilung als falsch erweisen könnte.
Allerdings hat der BFH in ständiger Rechtsprechung eine Hinzuziehung oder Beiladung stets abgelehnt, wenn im Zeitpunkt der Hinzuziehung oder Beiladung die Festsetzungsfrist für den gegen den Dritten gerichteten Steuerbescheid bereits abgelaufen war.
Diese Rechtsprechung interpretiert der BFH mit dem Besprechungsbeschluss dahingehend, dass es auf die rechtzeitige erstmalige Beteiligung des Dritten an dem fremden Verfahren ankomme. Hat das FA den Dritten vor Ablauf der Festsetzungsfrist für dessen Steuer zum Rechtsbehelfsverfahren eines anderen Steuerpflichtigen hinzugezogen, so muss das FG auf Antrag des FA den Dritten im Klageverfahren auch dann beiladen, wenn die Festsetzungsverjährung zwischenzeitlich eingetreten sein sollte.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 17.7.2002, XI B 12/02