Dipl.-Finanzwirt (FH) Nikolaus Zöllner
Ein großes Fehlerpotenzial und somit ein großer Bedarf an Verprobungen besteht bei produzierenden Unternehmen im Materialaufwand. Je höher der Materialaufwand im Verhältnis zum Umsatz oder zu den Gesamtkosten ist, desto intensiver sollte diese GuV-Position verprobt und überprüft werden.
Ziel der Verprobung ist es, einen Überblick über mögliche Ungereimtheiten in der Bewertung der Vorräte und Verbuchung der Wareneingänge zu erhalten. Eine Möglichkeit hierfür besteht in der Analyse der Materialaufwandsquote mittels eines Mehrjahresvergleichs.
Anzahl der Jahre im Mehrjahresvergleich
Die Anzahl der Jahre, die im Mehrjahresvergleich verwendet werden, hängt von den individuellen Besonderheiten des zu verprobenden Unternehmens ab. Eine Mindestanzahl von 3 Jahren sollte grundsätzlich eingehalten werden. Längere Zeitreihen sind dann sinnvoll, wenn in diesem Zeitraum keine grundlegenden Veränderungen stattgefunden haben, die direkten Einfluss auf die Materialaufwandsquote hatten. Dies können sein:
- Veränderungen des Produktionsprogramms
- erhebliche Materialpreissteigerungen, die nicht (proportional) an die Kunden weitergegeben werden konnten
- Einsatz von (wirksamen) Produktivitätssteigerungsprogrammen
- Veränderungen des Produkte-Sortiments (Herstellung materialintensiverer Produkte)
Verprobung des Materialaufwands
Im Rahmen des Jahresabschlusses des mittelständischen Produktionsunternehmens Check23 GmbH soll der Materialaufwand des Abschlusses 2020 verprobt werden. Im Hinblick auf Umsatz und Materialaufwand liegt zuverlässiges Zahlenmaterial für 4 Vorjahre vor. Im verwendeten Vergleichszeitraum gab es keine Besonderheiten, die auf die Materialaufwandsquote Einfluss hatten.
Die Verprobung erfolgt mithilfe eines Zeitreihenvergleichs:
Zeitreihenvergleich: Materialaufwand zu Umsatz
|
01 |
02 |
03 |
04 |
05 |
Umsatz (TEUR) |
10.500 |
11.000 |
11.200 |
11.600 |
12.100 |
Materialaufwand (TEUR) |
4.185 |
4.468 |
4.498 |
4.573 |
5.147 |
Verhältnis (Aufwand : Umsatz) |
39,86 % |
40,62 % |
40,16 % |
39,42 % |
42,54 % |
Während in den Vorjahren die Materialaufwandsquote um den Wert 40 % pendelte, liegt im Jahr 05 ein sprunghafter Anstieg auf 42,54 % vor. Dies alleine stellt noch keinen abschließenden Beweis für das Vorliegen einer Ungereimtheit der Buchhaltung dar. Vielmehr sollte diese Auffälligkeit in der Verprobung Anlass sein, detailliertere Untersuchungen zu starten. In einem ersten Schritt kann mit den Verantwortlichen des Unternehmens (Geschäftsleitung, Leitung Einkauf, Leitung Finanzen) in Analysegesprächen die Plausibilität der Abweichung verifiziert werden.
Beispiel für einen plausiblen Grund für den Anstieg:
Das Unternehmen hat im Berichtsjahr eine Strategie erfolgreich umgesetzt, im Materialbereich höhere Qualität zu verwenden. Dadurch stieg der Materialaufwand im Berichtsjahr spürbar an. Höhere Verkaufspreise konnten erst nachgelagert durchgesetzt werden, sodass die Umsätze (noch) nicht im gleichen Verhältnis – oder optimalerweise überproportional – erhöht werden konnten.
Ist der Anstieg hingegen nicht plausibel erklärbar, ist die Suche nach Gründen in der Finanzbuchhaltung fortzusetzen.
Im Beispielsfall wurde nach Analyse der entsprechenden Aufwandskonten festgestellt, dass eine größere Reparaturleistung im Maschinenpark fälschlicherweise im Fremdleistungsaufwand verbucht worden ist und somit für den Anstieg der Materialaufwandsquote ursächlich war. Nach Berichtigung der fehlerhaften Buchung ergibt sich folgendes, zurechtgerücktes Bild:
Zeitreihenvergleich nach Berichtigung: Materialaufwand zu Umsatz
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01 |
02 |
03 |
04 |
05 |
Umsatz (TEUR) |
10.500 |
11.000 |
11.200 |
11.600 |
12.100 |
Materialaufwand (TEUR) |
4.185 |
4.468 |
4.498 |
4.573 |
4.847 |
Verhältnis (Aufwand : Umsatz) |
39,86 % |
40,62 % |
40,16 % |
39,42 % |
40,06 % |
Tab. 1: Verprobung Materialaufwand zu Umsatz, Zeitreihenvergleich
Vergleich von Bestandteilen des Materialaufwands oder Unterkonten
Statt die Verprobung auf die gesamten (addierten) Materialkosten zu beziehen, kann selbstverständlich auch ein Vergleich zu Bestandteilen der Materialaufwendungen (nur Rohstoffe, Hilfsstoffe oder Betriebsstoffe, bezogene Waren oder Aufwendungen für bezogene Leistungen) oder sogar auf Kontenebene vorgenommen werden.
Mit den Exportmöglichkeiten der gängigen Finanzbuchhaltungssysteme und einfachen Kenntnissen in der Anwendung von Tabellenkalkulationsprogrammen lassen sich solche Analysen sehr individuell und mit wenigen Klicks erstellen.