FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 20.8.2015, S 0130
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG ist ein Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will. Gleiches gilt nach § 8 PassG für die Passentziehung oder die Entziehung eines ausschließlich als Passersatz bestimmten amtlichen Ausweises.
Die bloße Möglichkeit oder Vermutung, ein Steuerpflichtiger könne sich durch Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland seinen steuerlichen Pflichten entziehen, reicht für die Versagung oder Entziehung eines Passes nicht aus. Eine solche Maßnahme kann vielmehr nur auf gerichtsverwertbare Tatsachen gestützt werden. Allein der Umstand, dass Steuerschulden vorhanden sind, ist kein hinreichender Versagungsgrund.
Weisen Anhaltspunkte auf mögliche Gründe hin, einen Pass zu versagen oder zu entziehen, richten die Passbehörden Anfragen an die jeweils zuständige Finanzbehörde. Derartige Auskunftsersuchen sind unverzüglich zu beantworten. Dabei ist wie folgt zu verfahren:
1. Sind im Finanzamt keine bestimmten Tatsachen bekannt, die vermuten lassen, der Steuerpflichtige werde sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen, teilt es dies der anfragenden Passbehörde formlos mit. Das nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO erforderliche Einverständnis des Steuerpflichtigen zur Erteilung der Auskunft kann in diesem Fall unterstellt werden.
2. Sind zwar bei einem Steuerpflichtigen Steuerrückstände vorhanden und/oder ist er aus anderen Gründen als steuerlich unzuverlässig anzusehen, ohne dass dem Finanzamt aber bestimmte Tatsachen bekannt sind, welche die Annahme begründen, er wolle sich durch Ausreise seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen, steht das Steuergeheimnis einer Offenbarung der Verhältnisse des Steuerpflichtigen der Passbehörde gegenüber entgegen. § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG enthält nämlich keine ausdrückliche gesetzliche Befugnis zur Offenbarung; eine solche kann in diesem Fall auch nicht auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO gestützt werden.
3. Bestehen hingegen bei einem als unzuverlässig geltenden Steuerpflichtigen Steuerrückstände und sind dem Finanzamt gerichtsverwertbare Tatsachen bekannt, die darauf hindeuten, dass er sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will, hat es der Passbehörde diese Tatsachen vollständig mitzuteilen. Die Zulässigkeit der Auskunft ergibt sich in diesem Fall aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO. Unter den gleichen Voraussetzungen kann das Finanzamt auch von sich aus die Entziehung eines ausgestellten Reisepasses bei der zuständigen Passbehörde beantragen.
4. Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG kann nach § 6 Abs. 7 PAuswG die zuständige Behörde im Einzelfall auch anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen des Gebiets des Geltungsbereiches des Grundgesetzes über eine Auslandsgrenze berechtigt. Rechtfertigen deshalb gerichtsverwertbare Tatsachen die Annahme, der Steuerpflichtige suche durch Verlassen des Inlandes sich seinen steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen, so ist die zuständige Behörde auch um eine Anordnung nach § 6 Abs. 7 PAuswG zu ersuchen; die Offenbarung der durch das Steuergeheimnis geschützten Verhältnisse ist auch in diesem Falle durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zugelassen.
5. Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG auf Versagung oder Entziehung eines Passes bzw. Einschränkung eines Personalausweises nicht mehr vor, hat das Finanzamt die zuständige Passbehörde unverzüglich zu unterrichten.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Verfahren wird auf die VO-Kartei NW Rückstandsunterbindende Maßnahmen Karte 7 und 8 und Abschnitt 66 Abs. 3 VollstrA hingewiesen.
Normenkette
AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 1
PassG § 7
PassG § 8
PAuswG § 6 Abs. 7