Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Schadensaufwendungen, die von Mitgliedern eines kommunalen Schadensausgleichs in Höhe eines (variablen) Selbstbehalts selbst getragen werden, erfüllen nicht die Merkmale eines Versicherungsentgelts. Dies gilt auch dann, wenn die konkrete Höhe des Selbstbehalts erst nach Ablauf des jeweiligen Versicherungszeitraums errechnet werden kann.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 VersStG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein nicht rechtsfähiger Verein, dessen Mitglieder im Jahr 1998 u.a. mehrere Großstädte waren. Satzungsmäßige Aufgabe des Klägers ist der Betrieb einer kommunalen Verrechnungsstelle zum Ausgleich von Haftpflichtschäden, die seine Mitglieder und die über sie Mitversicherten gemeinsam tragen. Bestandteil der Satzung waren Verrechnungsgrundsätze, die u.a. Bestimmungen zur Übernahme der von den Mitgliedern angemeldeten, dem Grunde nach ausgleichsfähigen Haftpflichtschäden enthielten. Nach § 4 Abs. 1 der Verrechnungsgrundsätze trat der Kläger in allen Schadensfällen ein, soweit die Haftpflichtaufwendungen bestimmte Beträge je Schadensfall überstiegen (echter Selbstbehalt). Die Mitglieder waren nach § 5 der Verrechnungsgrundsätze verpflichtet, dem Kläger gegen sie geltend gemachte oder erwartete Schadenersatzansprüche innerhalb eines Monats anzuzeigen und das Ergebnis der von ihnen durchgeführten Ermittlungen mitzuteilen. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang ein Schadenersatzanspruch anerkannt oder abgelehnt, ein Vergleich geschlossen, ein Rechtsstreit geführt werden soll oder weitere Ermittlungen zur Klärung des Sachverhalts erforderlich sind, traf der Geschäftsführer des Klägers.
Ausgangsgröße für den Ausgleich zwischen den Mitgliedern des Klägers war die sog. Berechnungsgrundlage. Dazu bestimmt § 11 Abs. 1 S. 1 der Satzung: "Die auf die einzelnen Verrechnungsstellen entfallenden Schadenbeträge und Kosten aus den im Laufe eines Geschäftsjahrs eingetretenen, ordnungsgemäß angemeldeten und als ausgleichsfähig anerkannten Schadenfällen, die an den Rückdeckungsausgleich zu entrichtende Umlage sowie die anteiligen Verwaltungskosten des Ausgleichs, die Steuern und die sonstigen Aufwendungen des Ausgleichs werden nach Schluss des Geschäftsjahrs nach den Verrechnungsgrundsätzen auf die Mitglieder aufgeschlüsselt (Berechnungsgrundlage)." Diese Berechnungsgrundlage war zum Zweck des durchzuführenden Schadensausgleichs auf die einzelnen Mitglieder zur Ermittlung der auf sie jeweils entfallenden sog. "Zwischensumme" aufzuteilen. Aufteilungsmaßstab war der jeweilige Anteil des einzelnen Mitglieds an der Summe der Wagnispunkte aller Mitglieder. Die "Zwischensumme" umfasste neben dem Anteil an den Gemeinschaftskosten den Betrag an Schadensaufwendungen, den jedes Mitglied satzungsgemäß im Geschäftsjahr übernahm. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 der Satzung bestand für die Mitglieder eine Ausgleichsverpflichtung nur, soweit die sich aus der Berechnungsgrundlage ergebende "Zwischensumme" die für sie im Geschäftsjahr anerkannten Schäden überstieg. Die Mitglieder hatten einen Erstattungsanspruch gegen den Ausgleich nur, soweit die anerkannten Schadensbeträge die sich aus der Berechnungsgrundlage ergebende "Zwischensumme" überstiegen.
Für das Jahr 1998 betrug der gesamte Schadensaufwand der Mitglieder zuzüglich der an den Kläger zu zahlenden Umlage aller Mitglieder und der Verwaltungskosten 12 610 570,26 DM. Hiervon ausgehend ermittelte der Kläger eine "endgültige Belastung" der erstattungspflichtigen Mitglieder von 2 579 549,56 DM. Von seinen Mitgliedern hat der Kläger im Jahr 1998 keine Vorschüsse erhoben.
Bei seiner Anmeldung zur Versicherungsteuer für 1998 ging der Kläger davon aus, dass Versicherungsteuer nur auf die von den zur Zahlung verpflichteten Mitgliedern geleisteten Ausgleichsbeträge zu erheben sei, und meldete demgemäß bei dem seinerzeit zuständigen FA Versicherungsteuer i.H.v. 386 932 DM (2 579 549,56 DM x 15 %) an. Die vom Kläger im Jahr 1998 gezahlten und auf seine Mitglieder umgelegten Prämien für eine Rückversicherung i.H.v. 167 371,51 DM blieben unberücksichtigt.
Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, Bemessungsgrundlage für die Versicherungsteuer sei die "Zwischensumme". Das Versicherungsverhältnis sei darauf gerichtet, den Mitgliedern umfassenden Versicherungsschutz zu gewähren. Der Kläger trete in den in § 1 der Verrechnungsgrundsätze genannten Fällen in voller Höhe ein; ein Selbstbehalt oder eine Selbstversicherung bis zur Höhe der "Zwischensumme" sei nicht vereinbart. Von den Mitgliedern würden die anfallenden Schadenszahlungen zunächst vorschussweise getragen und mit der nächsten Umlage verrechnet. Diese Verfahrensweise stelle eine Aufrechnung i.S.d. § 387 BGB dar. Das FA setzte daher gegen den Kläger die Versicherungsteuer für 1998 auf 1 916 690 DM (979 988,40 EUR) fest.
Hiergegen erhob der Kläger mit Zustimmung des FA Sprungklage, mit der er die Festsetzung der Versicherungsteuer auf 210 671 EUR nach einer Bemessungsgrundlage von 2 746 921,07 DM (Ausgleichsbeträge 2 579 549,56 DM zuzüglich um...