Leitsatz
1. Wird gegen einen Mitteilungspflichtigen ausschließlich ein Verspätungsgeld gemäß § 22a Abs. 5 EStG, nicht aber zusätzlich eine Geldbuße nach § 50f EStG erhoben, kann per se keine Doppelbestrafung vorliegen.
2. Der Schutzbereich des Art. 50 EUGrdRCh wird durch die Festsetzung eines Verspätungsgeldes nicht berührt.
3. Die Regelungen des § 22a Abs. 1 und Abs. 5 EStG sind mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.
4. Das Verspätungsgeld ist nicht zu erheben, wenn eine nur fehlerhafte Rentenbezugsmitteilung fristgerecht übermittelt worden ist.
5. Die Übertragung der Erhebung des Verspätungsgeldes auf die Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
§ 22a, § 50f EStG, Art. 20 Abs. 3, Art. 87 Abs. 3, Art. 103 Abs. 3 GG, Art. 50 EUGrdRCh
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Pensionsfonds, der die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter eines größeren Unternehmens übernommen hat. Er wehrt sich gegen die Auferlegung des Verspätungsgeldes, weil er insbesondere der Auffassung ist, das Verspätungsgeld belaste ihn als Dritten unverhältnismäßig.
Das Verspätungsgeld verstoße zudem gegen das Verbot der Doppelbestrafung, da die verspätete Übermittlung in bestimmten Fällen auch noch ein Bußgeld gemäß § 50 EStG nach sich ziehen könne. Das FG wies die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.5.2017, 5 K 10070/15, Haufe-Index 11034998).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, weil dieses nicht ausreichend geklärt habe, ob der Pensionsfonds die Rentenbezugsmitteilungen verspätet übermittelt hatte.
Hinweis
1. Die gesetzliche Rentenversicherung, berufsständische Versorgungswerke, Pensionskassen und andere Versorgungseinrichtungen sind gemäß § 22a EStG verpflichtet, der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) bis Ende Februar des Folgejahres auf elektronischem Wege mitzuteilen, welche Leistungen – vor allem Renten – sie an den jeweiligen Versicherten ausgezahlt haben (Rentenbezugsmitteilungen).
Da diese Meldungen zunächst in einem nur unzureichenden Umfang bei der ZfA rechtzeitig eingingen, wird seit 2011 von den Versicherungs- und Versorgungsunternehmen gemäß § 22a Abs. 5 EStG bei verspäteter Übermittlung der Rentenbezugsmitteilungen ein Verspätungsgeld erhoben, um diese dazu anzuhalten, ihre Daten so rechtzeitig zu übermitteln, dass die Finanzverwaltung sie bereits im Besteuerungsverfahren der Rentenempfänger berücksichtigen kann.
Die Höhe des Verspätungsgeldes ist gesetzlich festgelegt und beträgt 10 EUR je angefangenen Monat pro verspäteter Rentenbezugsmitteilung, maximal pro Veranlagungszeitraum 50.000 EUR. Das Verspätungsgeld wird nicht erhoben, wenn der Mitteilungspflichtige die Verspätung nicht zu vertreten hat.
Außerdem kann die ZfA gemäß § 50f EStG bei vorsätzlich oder leichtfertig unterlassener, verspäteter oder fehlerhafter Übermittlung der Rentenbezugsmitteilungen eine Geldbuße bis zu 50.000 EUR erheben.
2. Nach Auffassung des BFH verstoßen die das Verspätungsgeld betreffenden Regelungen im Grundsatz nicht gegen höherrangiges Recht. Sie sind mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar, auch wenn den mitteilungspflichtigen Stellen erhebliche Anstrengungen abverlangt werden, um die Besteuerung Dritter – nämlich der Rentenempfänger – sicherzustellen. Der Gesetzgeber habe ihnen – so der BFH – diese Pflicht auferlegen dürfen, da dadurch zum einen eine gleichmäßige Besteuerung gesichert und zum anderen die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens ermöglicht werde.
3. Wird gegen einen Mitteilungspflichtigen ausschließlich ein Verspätungsgeld festgesetzt, nicht aber – wie bislang ohnehin noch in keinem Fall geschehen – zusätzlich noch eine Geldbuße nach § 50f EStG erhoben, kann bereits per se keine Doppelbestrafung vorliegen.
4. Das Verspätungsgeld kann nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 22a Abs. 5 EStG nur dann erhoben werden, wenn die Mitteilung verspätet oder gar nicht übermittelt wurde. Eine lediglich fehlerhafte Meldung wird hingegen nicht mit einem Verspätungsgeld belegt. Entsprechend der BFH-Rechtsprechung zur fristgerechten Abgabe einer unvollständigen oder unrichtigen Steuererklärung (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 7.4.2005, IV R 39/04, BFH/NV 2005, 1229) kann eine (fehlerhafte) Rentenbezugsmitteilung jedoch dann nicht als übermittelt angesehen werden, wenn sie derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf ihre Nichtübermittlung hinausliefe.
Dies dürfte allerdings nur dann der Fall sein, wenn die von den Versorgungseinrichtungen erhaltenen Daten so mangelhaft sind, dass die ZfA ihrerseits nicht in der Lage ist, diese an die Finanzbehörden zu übermitteln, sodass der mit der Einführung des Rentenbezugsmitteilungsverfahrens verfolgte Zweck, die zutreffende Besteuerung der Rentenempfänger zu gewährleisten, wegen der unverwertbaren Daten nicht erfüllt werden kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.2.2019 – X R 28/17