FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 4.5.2007, S 0323
Bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen im Veranlagungsverfahren sind folgende Grundsätze zu beachten:
1. Allgemeines
1.1 Zweck des Verspätungszuschlags
Kommen Steuerpflichtige ihrer Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nach, so kann ihnen das FA einen Verspätungszuschlag auferlegen, es sei denn, die Versäumnis erscheint entschuldbar. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags soll dazu dienen, den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen, die rechtzeitige Festsetzung und Zahlung der Steuern und den Gang der Veranlagung insgesamt zu sichern. Er soll als Druckmittel für künftige fristgerechte Erfüllung der Erklärungspflichten, nicht als Strafe für vergangenes Fehlverhalten gehandhabt werden.
1.2 Verspätete Abgabe
Eine verspätete Abgabe der Steuererklärung liegt vor, wenn diese nicht innerhalb der gesetzlichen oder der vom FA eingeräumten Frist abgegeben wird. Bei Fristüberschreitungen von bis zu 2 Wochen im Veranlagungsverfahren ist regelmäßig kein Verspätungszuschlag festzusetzen. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige die „Nachfrist” überschreitet, die ihm das FA bei der Erinnerung an die Abgabe der Erklärung oder bei Ablehnung eines Antrags auf Fristverlängerung nach den Umständen des Einzelfalls eingeräumt hat.
Die bisher im AEAO zu § 152 Nr. 7 enthaltenen „Schonfristen” für Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. Lohnsteuer-Anmeldungen wurden durch das BMF-Schreiben vom 1.4.2003, IV D 2 – S 0323 – 8/03 aufgehoben. Die aufgehobene Regelung ist jedoch für vor dem 1.1.2004 endende Voranmeldungszeiträume bzw. Anmeldungszeiträume weiterhin anzuwenden.
1.3 Rückwirkende Fristverlängerung
Trotz Fristüberschreitung bleibt stets zu prüfen, ob eine rückwirkende Fristverlängerung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 AO in Betracht kommt. Das Ende der Erklärungsfrist muss für den Steuerpflichtigen eindeutig erkennbar sein. Soll einem Fristverlängerungsantrag nicht entsprochen werden, so ist hierüber klar und bestimmt zu entscheiden (§ 119 AO).
1.4 Entschuldbarkeit der Fristversäumnis
Die Versäumnis ist regelmäßig dann nicht entschuldbar, wenn Steuererklärungen wiederholt nicht oder nicht fristgerecht abgegeben wurden oder eine von der Finanzbehörde bewilligte Fristverlängerung nicht eingehalten wurde. Wer bewusst, wenn auch infolge eines Irrtums über die materielle Rechtslage, die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung verstreichen lässt, handelt nicht entschuldbar im Sinne des § 152 Abs. 1 AO (BFH vom 26.4.1989, BStBl 1989 II S. 693).
2. Entschließungsermessen
2.1 Künftiges Abgabeverhalten
Auch wenn die Tatbestandsmerkmale des § 152 Abs. 1 AO vorliegen, ist zu prüfen, ob ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen). Entsprechend der Zielsetzung des Verspätungszuschlags kommt eine Festsetzung in erster Linie in Betracht,
- wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen auch künftige Säumnis erwarten lässt oder
- wenn ein durch die verspätete Abgabe oder Nichtabgabe der Steuererklärung erzielter (Zins-)Vorteil nicht (oder nicht ausreichend) durch eine Verzinsung nach § 233a AO abgeschöpft wird (vgl. Tz. 3.2.3). Dies gilt speziell für Steuern, die von § 233a AO nicht erfasst werden, wie z.B. die Erbschaft- und Schenkungsteuer.
2.2 Beitreibbarkeit des Verspätungszuschlags
Seiner Zielsetzung wird der Verspätungszuschlag nur dann gerecht, wenn er nicht nur festgesetzt, sondern auch gezahlt oder beigetrieben werden kann. Sind bereits – insbesondere in Schätzungsfällen -mangels Beitreibbarkeit Steuerrückstände niedergeschlagen worden oder sonstige Umstände bekannt, nach denen die Realisierbarkeit des Zuschlags ausgeschlossen ist, geht die Festsetzung ins Leere.
2.3 Wegfall der Steuerpflicht
Nicht ermessensgerecht ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags, wenn wegen Wegfalls der Steuerpflicht (z.B. bei Betriebseinstellung) auf das künftige Abgabeverhalten nicht mehr eingewirkt werden muss.
2.4 Frist bei steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen
An der Auffassung, wonach bei steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen ein Verspätungszuschlag in der Regel erst festzusetzen ist, wenn die Steuererklärung nach dem 30.9. des auf den Veranlagungszeitraum folgenden Jahres abgegeben wird, und zwar auch dann, wenn kein Fristverlängerungsantrag gestellt wurde, wird nicht mehr festgehalten. In diesen Fällen gelten die allgemeinen Kriterien zur Ausübung des Ermessens.
2.5 Erstattungsfälle
In Erstattungsfällen ist zwar die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BFH vom 26.4.1989, BStBl 1989 II S. 693). In derartigen Fällen sollte aber ein Verspätungszuschlag nur ausnahmsweise und nach sorgfältiger Prüfung der Verschuldensfrage festgesetzt werden. Da eine Kappung auf 50 % der Abschlusszahlung (vgl. Tz. 3.1 Buchst. a) nicht möglich ist, sollte die Eingabe nur als EUR- bzw. DM-Betrag erfolgen. Bei nur geringem Verschulden sollte indessen von der Festsetzung des Verspätungszuschlags abgesehen werden (vg...