Leitsatz
1. Überlässt ein Steuerpflichtiger, der seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft durch Einnahme-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, zu seinem Betriebsvermögen gehörende Grundstücke gegen ein vorausgezahltes Entgelt zur Nutzung für die Durchführung naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen, kann er das Gestattungsentgelt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG auf den Vorauszahlungszeitraum verteilen, wenn der Nutzungsüberlassungs- und der Vorauszahlungszeitraum mehr als fünf Jahre betragen.
2. Voraussetzung für die Verteilung der Einnahme ist, dass der Vorauszahlungszeitraum anhand objektiver Umstände – und sei es auch im Wege sachgerechter Schätzung – feststellbar (bestimmbar) ist und einen Nutzungsüberlassungszeitraum von mehr als fünf Jahren entgilt.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 2 Satz 3, § 4 Abs. 3 EStG, § 162 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
M unterhielt einen land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetrieb, dessen Gewinn sie für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. 2011 schloss sie mit einem Kraftwerksbetreiber (S) einen Vertrag, der S gestatte, auf einem Teil ihrer betrieblichen Grundstücke naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen.
M verpflichtete sich weiter, auf der Vertragsfläche für die Vertragsdauer keine Nutzungen oder Handlungen vorzunehmen, die diese Maßnahmen vereiteln, gefährden oder auf sonstige Weise beeinträchtigen könnten. Zudem verpflichtete sie sich, die Verträge mit den bisherigen Pächtern über die Vertragsflächen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen und zugunsten von S eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen zu lassen.
Der Gestattungsvertrag lief auf unbestimmte Zeit. Er endete mit dem vollständigen Rückbau des Kraftwerks und der vollständigen Rekultivierung der Vorhabensfläche. Eine ordentliche Kündigung durch M war ausgeschlossen.
Im Juni 2013 zahlte S an M das vereinbarte – einmalige – Gestattungsentgelt i.H.v. 638.525 EUR. Mit der Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen begann er im November 2014. In ihrer Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2012/2013 verteilte M das Gestattungsentgelt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG gleichmäßig auf 25 Jahre und setzte es demgemäß lediglich i.H.v. 12.770 EUR (638.525 EUR/ 25) × 0,5) als Einnahme an.
Das FA folgte dem nicht. Das Gestattungsentgelt sei mit Zufluss im Wirtschaftsjahr 2012/2013 in voller Höhe als Betriebseinnahme zu versteuern. Der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG Münster, Urteil vom 9.6.2017, 4 K 1034/15 E, Haufe-Index 11032541, EFG 2017, 1268).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, dass der Steuerpflichtige Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen kann, für den die Vorauszahlung geleistet wird. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG betrifft Vorauszahlungen "für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren".
a) Eine Einnahme beruht auf einer Nutzungsüberlassung, wenn sie im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Nutzung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen sowie Rechten erbracht wird. Die Bestellung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten ist deshalb keine Nutzungsüberlassung. Hierbei handelt es sich vielmehr um die rechtsgeschäftliche Verwertung des Grundbesitzes durch dingliche Belastung (BFH, Urteil vom 29.11.2018, VI R 4/16, BFH/NV 2019, 617).
b) Ob eine Vereinbarung zu einer Nutzung berechtigt, hat in erster Linie das FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen. Das hat den Gestattungsvertrag vorliegend dahin gewürdigt, dass die wesentliche Leistung der M nicht in der dinglichen Belastung ihres Grundbesitzes, sondern in der Nutzungsüberlassung der Vertragsfläche zur Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen bestand. Das hat der BFH nicht beanstandet.
M hatte mit der Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten ihre vertragliche Hauptpflicht aus dem Gestattungsvertrag nicht erfüllt. Diese lag vielmehr, wie die Vorinstanz vertretbar entschieden hat, in der Gebrauchsüberlassung der Vertragsfläche. Denn S war auf die tatsächliche Nutzung der Vertragsfläche angewiesen, um die Ausgleichsmaßnahmen durchführen zu können. Die Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten sollte die Nutzungsüberlassung der Vertragsfläche an S lediglich dinglich sichern.
2. Das Gestattungsentgelt wurde auch für "mehr als fünf Jahre im Voraus geleistet" (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG).
a) § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG erfordert das Vorliegen einer Vorauszahlung. Eine solche liegt vor, soweit die Zahlung zeitlich vor der Nutzungsüberlassung zufließt, für die sie...