4.1 Vertragliche Rücktrittsoption
Den Parteien eines Vertrages steht es frei, beim Abschluss des Vertrages einer oder beiden Parteien ein Rücktrittsrecht einzuräumen. Das Rücktrittsrecht kann an bestimmte Bedingungen geknüpft und/oder zeitlich befristet werden. Ein solches Recht erlaubt der begünstigten Partei – ggf. unter den vereinbarten Bedingungen und/oder innerhalb der vereinbarten Frist – sich vom Vertrag durch einseitige, gestaltende Erklärung des Rücktritts zu lösen. Bereits erfolgte Maßnahmen der Vertragserfüllung müssen dann rückabgewickelt werden.
Beispiel 3
Im Kaufvertrag über ein Grundstück wird festgehalten, dass der Erwerber eine öffentlich-rechtliche Genehmigung zum Abbau von Kies und Sand aus diesem Grundstück beantragen wird; der Verkäufer soll außer dem Kaufpreis für das Grundstück selbst auch für die künftige Ausbeute des Rohstoffvorkommens eine mengenabhängige Entschädigung erhalten. Weil diese Entschädigung wirtschaftlich weitaus interessanter ist als der Preis für den Grund und Boden, die notwendige Genehmigung aber noch nicht vorliegt, vereinbaren die Parteien ein Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall, dass die öffentlich-rechtliche Abbaugenehmigung nicht innerhalb von fünf Jahren bestandskräftig erteilt wird.
Wird die Genehmigung in Beispiel 3 nicht erteilt oder zwar erteilt, aber von dritter Seite mit Erfolg angefochten, hat der Verkäufer nach Ablauf der vereinbarten Frist die Wahl, es beim Verkauf des Grundstücks zum bereits erhaltenen Preis zu belassen oder aber sein Rücktrittsrecht auszuüben und den Verkauf rückgängig zu machen. Wählt er die erste Alternative, bleibt auch der Käufer an den Vertrag gebunden.
Beispiel 4
In Beispiel 3 käme ein beiderseitiges Rücktrittsrecht dem Interesse der Parteien am nächsten, wenn auch der Käufer kein Interesse am Besitz eines Grundstückes hat, dessen Rohstoffvorkommen er nicht ausbeuten kann.
4.2 Gesetzliches Rücktrittsrecht
Der Rücktritt vom Vertrag im Falle einer Leistungsstörung ist in den §§ 323 ff BGB geregelt. Die Regelungen folgen systematisch dem Modell des Schadensersatzes bei Leistungsstörungen in §§ 280 ff. BGB. Nach dem Vorbild des UN-Kaufrechts ist das gesetzliche Rücktrittsrecht jedoch verschuldensunabhängig. Für den Fall der Unmöglichkeit wird es durch eine gesetzliche Leistungsbefreiung ergänzt. Als Gestaltungsrecht unterliegt der Rücktritt nicht unmittelbar der Verjährung, ist aber an die Verjährung des Leistungs- oder Nacherfüllungsanspruchs angebunden.
4.2.1 Rücktritt bei nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
Der Gläubiger kann von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn
- der Schuldner die fällige Leistung (ganz oder teilweise) nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht hat und
- eine vom Gläubiger gesetzte, angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung erfolglos geblieben ist.
In bestimmten Fällen ist die Fristsetzung entbehrlich, etwa wenn der Schuldner "ernsthaft und endgültig" verweigert, die geschuldete Leistung zu erbringen. Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, etwa weil das geschuldete Verhalten in einem Unterlassen besteht, so tritt an ihre Stelle eine Abmahnung.
In drei Konstellationen ist der Rücktritt ausgeschlossen bzw. an weitere Voraussetzungen geknüpft:
- Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat.
- Hat der Schuldner die geschuldete Leistung schlecht ( "nicht vertragsgemäß") erfüllt, ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung "unerheblich" ist.
- Der Rücktritt ist schließlich auch dann ausgeschlossen, wenn der Rücktrittsgrund ganz oder weit überwiegend in die Verantwortung des Gläubigers fällt oder während des Annahmeverzuges des Gläubigers eintritt.
Eine Ablehnungsandrohung ist nicht erforderlich. Auch kann der Gläubiger seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch über die Fristsetzung hinaus aufrechterhalten; dieser geht erst mit der gestaltenden Rücktrittserklärung, die das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt, unter.
4.2.2 Rücktritt bei Verletzung nicht leistungsbezogener Nebenpflichten
Der Gläubiger kann von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn
- der Schuldner eine nicht leistungsbezogene Schutz- oder sonstige Verhaltenspflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat und
- dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist.
Wie in der parallelen Regelung zum "Schadensersatz statt der Leistung wegen Verletzung einer Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB " wird im Falle der Verletzung nicht leistungsbezogener Vertragspflichten auf das Erfordernis der Fristsetzung verzichtet. Durch das Kriterium der Unzumutbarkeit wird sichergestellt, dass der Gläubiger eine marginale Verletzung der Pflichten des § 241 Abs. 2 BGB nicht zum ungerechtfertigten "A...