Zusammenfassung
Das "natürliche" Ende einer Vertragsbeziehung ist die beiderseitige Erfüllung der vertraglichen Pflichten. Nicht selten aber kommt es nicht dazu, weil sich eine Partei nicht mehr an das Vereinbarte binden lassen will. Ein Vertragspartner sucht den "Ausstieg" aus dem Vertrag, der andere hingegen will daran festhalten.
Grundsätzlich gilt in einer solchen Situation: Das einmal wirksam Vereinbarte ist für beide Seiten bindend. Es gilt der Grundsatz "pacta sunt servanda", Verträge müssen eingehalten werden. Denn dies ist gerade der Sinn ihres Abschlusses: beide Parteien sollen sich darauf verlassen können, dass die jeweils andere ihre vertraglichen Pflichten erfüllt.
Dennoch gibt es eine Reihe von Konstellationen, die einer Partei erlauben, die Erfüllung eines Vertrages zu verweigern, ihre Verpflichtung daraus rückgängig zu machen oder sich zumindest für die Zukunft davon zu befreien.
Der folgende Beitrag beleuchtet die wichtigsten Fälle, in denen dies möglich ist sowie deren Voraussetzungen und Folgen.
1. Aufhebungsvertrag
Die selbe Vertragsfreiheit, die die Parteien eines schuldrechtlichen Vertrages bei dessen Abschluss genießen, steht ihnen auch in der Folgezeit zu: sie können den Vertrag ändern, ergänzen oder gänzlich aufheben, wenn sie sich nur darin einig sind.
So kann ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag das einmal Vereinbarte ohne weiteres ungeschehen machen, bereits erbrachte Leistungen können – auf der Grundlage dieses Aufhebungsvertrages oder als "ungerechtfertigte Bereicherung" – rückabgewickelt werden.
Aufhebung Mietvertrag
Ein Wohnung suchender Herr W hat bereits einen Mietvertrag unterzeichnet, als er eine zweite Wohnung besichtigt, die ihm wesentlich besser gefällt. Mit dem kulanten Vermieter der ersten Wohnung schließt W einen Aufhebungsvertrag des Inhalts, dass das eingegangene Mietverhältnis – gegen eine Entschädigung von 250 EUR für ein neues Inserat – als von Anfang an nicht bestehend gelten solle.
2. Störung/Wegfall der Geschäftsgrundlage, Vertragsanpassung
Gehen beide Parteien beim Abschluss eines Vertrages vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Umstände aus und hätten sie den Vertrag nicht oder jedenfalls mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie gewusst hätten, dass ihre Annahmen enttäuscht werden würden, kann sich die dadurch benachteiligte Partei auf eine "Störung der Geschäftsgrundlage" berufen. Wenn die gemeinsamen Annahmen zur Geschäftsgrundlage für den Vertragsschluss wurden, rechtfertigt ihre nachträgliche schwerwiegende Veränderung die Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse, wo dies möglich ist und einer Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Die zuvor von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind mit der Schuldrechtsreform als § 313 BGB ("Störung der Geschäftsgrundlage") kodifiziert worden.
Wo eine Anpassung nicht möglich oder einer Partei nicht zuzumuten ist, folgt aus der nachträglichen schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage das Recht des benachteiligten Teiles zum Rücktritt bzw. – bei Dauerschuldverhältnissen – zur Kündigung.
3. Unsicherheitseinrede
Wer aus einem Vertrag zur Erbringung einer Leistung verpflichtet ist, vertraut darauf, dafür die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten. Wird dieses Vertrauen nach Vertragsschluss, jedoch vor dessen Erfüllung zerstört, stellt sich für die zur Vorleistung verpflichtete Partei die Frage, ob sie "sehenden Auges" leisten muss, obwohl ihre Aussichten auf Erhalt der Gegenleistungen schlecht oder gar aussichtslos sind.
Beispiel 1
Ein Fachbetrieb für Heizung und Lüftung schuldet werkvertraglich den Einbau von 120 Flachheizkörpern in ein Bürogebäude. Nach Vertragsschluss und vor Beginn der Einbauarbeiten erfährt der Inhaber, dass der Bauherr bereits mehrere andere Bauhandwerker nicht mehr bezahlen konnte und deren Beitreibungsversuche erfolglos geblieben sind. Gleichwohl besteht der Bauherr auf termintreue Ausführung der Arbeiten.
In derartigen Fällen greift die Regelung in § 321 BGB ("Unsicherheitseinrede"); danach gilt Folgendes:
- Der vorleistungspflichtige Teil kann die eigene Leistung zurückhalten, wenn"erkennbar"wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet ist. Dadurch wird vermieden, dass bei absehbarer, aber noch nicht eingetretener Vermögensverschlechterung "sehenden Auges" vorgeleistet werden muss, obwohl die Gegenleistung unsicher ist.
- § 321 Abs. 2 BGB gibt dem Vorleistungspflichtigen in den Fällen des Abs. 1 die Möglichkeit, dem anderen Teil eine Frist zu bestimmen, in welcher dieser "Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die Gegenleistung zu bewirken oder Sicherheit zu leisten hat." Nach erfolglosem Ablauf dieser Frist kann er vom Vertrag zurücktreten. Damit wird vermieden, dass die Vertragsabwicklung wegen bestehender oder drohender Leistungsunfähigkeit des anderen Teils in einen zeitlich offenen Schwebezustand gerät.
Beispiel 2
In Beispiel 1 kann der Heizungsinstallateur zunächst die Leistung verweigern, ...