Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes im Sinne der neueren EuGH-Rechtsprechung kann sich nur ein gutgläubiger Lieferant berufen, der entsprechende Beweise vorlegt.
Sachverhalt
Gestritten wurde um die Anerkennung der Lieferungen von fünf Fahrzeugen im Jahr 2002 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Die Antragstellerin war unter anderem mit einem Kfz-Handel unternehmerisch tätig. Bei den Lieferungen handelte es sich offenbar um so genannte Abholfälle, die Fahrzeuge seien vom Abnehmer zu einem Lagerplatz in Italien verbracht worden, eine Erwerbsbesteuerung fand jedoch nach Ermittlungen des Finanzamts nie statt. Außerdem sei der Abnehmer als Scheinfirma einzustufen, weil weder Firmensitz noch eine wirtschaftliche Tätigkeit festgestellt werden konnten.
Entscheidung
Die beantragte Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide lehnte das Finanzgericht ab. Zur Begründung führte es insbesondere folgende Punkte an:
- Die USt-ID-Nr. der jeweiligen Fahrzeugabnehmer wurde nicht buchmäßig nachgewiesen.
- Eine qualifizierte Bestätigungsabfrage dieser Nummern wurde unterlassen.
- Auf der vorgelegten Abholbestätigung war nicht der Bestimmungsort vermerkt.
- Die Identität des beauftragten Abholers war offenbar nicht ausreichend belegt, insbesondere war nicht erkennbar, ob der Firmeninhaber, der Geschäftsinhaber oder ein sonstiger Beauftragter die Vollmacht erteilt hatte.
- Bei einigen Lieferungen waren die CMR-Frachtbriefe offenbar widersprüchlich.
Vor diesem Hintergrund konnte sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil v. 27.9.2007, Rs. C-409/04, Teleos) berufen. Auch wenn der EuGH mit dieser Entscheidung den Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen weiter gestärkt hat, ist nur der gutgläubige Lieferant schützenswert, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Steuerbefreiung belegen. Dies war vorliegend nicht der Fall.
Hinweis
Mit BMF-Schreiben vom 6.1.2009 (BStBl 2009 I S. 60) hat sich die Finanzverwaltung ausführlich zur Anwendung der sog. Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG geäußert. Danach gehört die ordnungsgemäße Erfüllung des Beleg- und Buchnachweises zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Kommt der Unternehmer dieser Pflicht nicht nach, besteht nach Ansicht der Finanzverwaltung auch kein Recht auf Vertrauensschutz. Nach dem BMF-Schreiben verletzt der Unternehmer seine diesbezüglichen Pflichten bereits dann, wenn er das Bestätigungsverfahren für die USt-ID-Nr. seines Abnehmers nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als den des Umsatzes durchführt. Im Hauptverfahren des hier besprochenen Streitfalls wird das Finanzgericht das aktuelle BFH-Urteil v. 12.5.2009 (VR 65/09) zu beachten haben, das sich hinsichtlich des CMR-Frachtbriefs und der Abholberechtigung durch einen vom Abnehmer beauftragten Abholer zum Teil gegen die strenge Sichtweise des BMF stellt. Ob aber allein diese beiden Aspekte dazu führen, dass das Finanzgericht die Steuerbefreiung gewährt, kann nur nach sorgfältiger Gesamtabwägung aller (anderen) Umstände entschieden werden.
Für die Praxis bleibt unbedingt zu beachten, dass nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug im Festsetzungsverfahren grundsätzlich kein Gutglaubensschutz zu gewähren ist (vgl. Urteil v. 30.4.2009, V R 15/07). Die Grundsätze des Vertrauensschutzes seien (lediglich) als Billigkeitsmaßnahmen nach nationalem Recht im Erhebungsverfahren zu berücksichtigen. Berater sollten deshalb darauf hinwirken, dass die Berücksichtigung von Gutglaubensschutz bereits möglichst frühzeitig im Rahmen einer abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (vgl. § 163 AO) oder im Erlasswege (vgl. § 227 AO) geltend gemacht wird.
Link zur Entscheidung
FG München, Beschluss vom 06.04.2009, 14 V 4005/08