Leitsatz
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist in dem Sinne auszulegen, dass von einem Dritten gegenüber einer KAG als Verwalterin eines Sondervermögens erbrachte Beratungsdienstleistungen für Wertpapieranlagen für die Zwecke der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung unter den Begriff "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" fallen, selbst wenn der Dritte nicht aufgrund einer Aufgabenübertragung nach Art. 5g der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in der durch die Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.1.2002 geänderten Fassung tätig ist.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 8h, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL
Sachverhalt
GfBk war beauftragt mit der Anlageberatung für das Fondsvermögen einer Kapitalanlagegesellschaft (KAG), die einen Publikumsfonds als Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) verwaltete. Die Empfehlungen wurden von der KAG fast in Sekundenschnelle umgesetzt. Ob diese Tätigkeit noch von der Befreiung umfasst wird, während im Übrigen dieselbe Tätigkeit eines privaten Vermögensverwalters steuerpflichtig ist, war zweifelhaft.
Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH wird der BFH umsetzen: Nach dem Vorlagebeschluss waren die Leistungen der Klägerin als eigenständiges Ganzes für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften wesentlich; lediglich die Frage, ob sie auch "spezifisch" i.S.d. Urteils Abbey National waren, war zweifelhaft. Dies hat der EuGH nun bejaht. Abschn. 4.8.14 Satz 5 und 4.8.18 Nr. 3 UStAE ist mit der Entscheidung insoweit nicht vereinbar.
Hinweis
1. Im Verfahren V R 51/10 hatte der BFH Zweifel, ob i.S.d. Richtlinie eine "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" vorliegt bei einer Beratungsleistung für eine Kapitalanlagegesellschaft (KAG) durch einen außenstehenden Anlageberater, wenn sich die Leistung ihrer Art nach aufgrund einer für die Steuerfreiheit nach dieser Bestimmung charakteristischen Besonderheit von anderen Leistungen unterscheidet oder wenn er aufgrund einer Aufgabenübertragung nach Art. 5g der geänderten Richtlinie 85/611/EWG (Richtlinie betreffend die "Organismen für gemeinsame Anlagen" – OGAW) tätig ist.
2. Die Umsätze der "Verwaltung der Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" durch KAGs i.S.d. Unionsrechts werden durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert. Von einem außenstehenden Verwalter erbrachte Verwaltungsdienstleistungen müssen aber "ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften spezifisch und wesentlich sein". Die Reichweite dieser EuGH-Bedingung lädt zu Meinungsverschiedenheiten ein. Als spezifisch und wesentlich hatte der EuGH im Urteil Abbey National noch betont, die erbrachten Leistungen müssten eine Änderung der rechtlichen oder finanziellen Lage bewirken. Davon ist der EuGH nun wieder etwas abgerückt:
3. Die spezifischen Umsätze von Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW) bestehen darin, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung der Anleger und gegen Entgelt in Wertpapieren anzulegen. Dadurch soll die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Bezug auf die Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapiere und derjenigen, die durch Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen erfolgt, gewährleistet werden. Dass Beratungs- und Informationsleistungen in der sog. OGAW-Richtlinie nicht aufgeführt seien, sei unerheblich. Auch der Umstand, dass die von einem Dritten erbrachten Beratungs- und Informationsleistungen keine Änderung der rechtlichen oder finanziellen Lage des Fonds bewirken, schließe nicht aus, dass diese Leistungen gleichwohl unter den Begriff der "Verwaltung" eines Sondervermögens durch eine Kapitalanlagegesellschaft fielen.
Kein Neutralitätsverstoß liege darin, dass Beratungsleistungen, die ein privater Anleger für sein Anlegevermögen bezieht, steuerpflichtig seien. Kleinanleger sollten in gleicher Weise wie ein Anleger, der selbst sein Vermögen in Wertpapieren anlege, begünstigt werden. Letzterer unterliege mit dem Kauf und Verkauf von Aktien nicht der Mehrwertsteuer. Dass Letzterer bei Inanspruchnahme eines Dritten bei der Vermögensverwaltung steuerpflichtige Leistungen bezieht, nicht dagegen – bei dem Auslegungsergebnis des EuGH – eine KAG, wenn sie Beratungsleistungen von einem außenstehenden Berater bezieht, stört den EuGH dabei weniger als die Überlegung, die KAG mit fremden Anlageberatern werde gegenüber KAGs mit eigenen Anlageberatern bevorzugt.
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