Leitsatz
1. Soll sich die Rechtsmacht i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983, das inländliche Grundstück eines anderen auf eigene Rechnung zu verwerten, aus einem Auftragsverhältnis ergeben, muss der Abschluss eines derartigen Vertrags festgestellt sein. Dazu reicht die Feststellung gesellschaftsrechtlicher, wirtschaftlicher oder personeller Verflechtung nicht aus.
2. Für die Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 ist dabei unerheblich, ob der Beauftragte eine Erwerbspflicht übernommen hat oder der Auftrag dahin geht, bei ansonsten freigestelltem Erwerb das Grundstück oder den Erlös aus einer Weiterveräußerung an den Auftraggeber herauszugeben bzw. abzuführen. Soll eine Erwerbspflicht begründet werden, bedarf der Vertrag der Form des § 313 Abs. 1 BGB. Wird dies nicht beachtet, kann die Berufung auf den Formmangel mit der Folge gegen Treu und Glauben verstoßen, dass der Mangel die Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 nicht hindert.
Normenkette
§ 1 Abs. 2 GrEStG 1983
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Bankinstitut, bedient sich eines anderen Unternehmens ihrer Firmengruppe, einer KG, als Grundstücksverwertungsgesellschaft bei der Abwicklung notleidend gewordener Immobilienkredite. Die KG steigert die in die Zwangsversteigerung geratenen beliehenen Grundstücke an. In Vorbereitung auf den jeweiligen Versteigerungstermin schließt die KG mit der Klägerin eine sog. Garantievereinbarung, wonach die KG unter der Bedingung, dass ihr der Zuschlag erteilt wird, der Klägerin die Zahlung des Betrags garantiert, der bei Abgabe eines Meistgebots in Höhe des gerichtlich festgestellten Verkehrswerts anfiele. Die dazu erforderlichen Mittel stellt die Klägerin der KG im Weg einer sog. Objektfinanzierung darlehensweise zur Verfügung, wobei sie der KG zusichert, die Mittel nur insoweit zurückzufordern, wie dies der Erlös aus einer Weiterveräußerung der angesteigerten Grundstücke zulässt. Nach Ansicht des FA und des FG ist über den Erwerbstatbestand der Abgabe des Meistgebots in der Person der KG (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GStG 1983) hinaus zusätzlich in der Person der Klägerin der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrStG 1983 erfüllt.
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH hob das Urteil des FG auf. Beim Erwerb eines Grundstücks durch einen Beauftragten oder Geschäftsbesorger im eigenen Namen unterliegt nicht nur dieser Erwerbsvorgang, sondern gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 auch die damit dem Auftraggeber oder Geschäftsherrn verschaffte rechtliche Möglichkeit (Rechtsmacht), das Grundstück gemäß § 667 BGB an sich zu ziehen oder es ggfs. – bei entsprechender Ausgestaltung des Auftrags – für eigene Rechnung durch den Beauftragten oder Geschäftsbesorger zu verwerten. Der BFH folgte zwar dem FG darin, dass ein derartiges Auftragsverhältnis zwischen der Klägerin und der KG in Betracht kommt, vermisste aber ausreichende Feststellungen des FG über das Zustandekommen eines Auftragsverhältnisses, d.h. darüber, ob die dazu nach § 662 BGB erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen abgegeben worden sind. Es reicht nicht aus, lediglich auf die gesellschaftsrechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verflechtungen der KG mit der Klägerin hinzuweisen. Gesellschaftsrechtliche Verflechtungen genügen nicht, weil sich aus diesen ohne Hinzutreten besonderer, nicht gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung kein Auftragsverhältnis ableiten lässt und die Stellung als mittelbar und/oder unmittelbar Beteiligter für sich allein zu keiner Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 führt. Wirtschaftliche Verflechtungen reichen nicht, weil sie keine Rechtsmacht zur Verwertung begründen. Personelle Verflechtungen reichen nicht, weil bei (teilweiser) Identität der handelnden Personen rechtliche Vereinbarungen überflüssig sind. Wird auf beiden Seiten derselbe Wille wirksam, bedarf es keiner Absprachen.
Hinweis
1. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 ist insofern missverständlich, als dort von der rechtlichen oder wirtschaftlichen Möglichkeit, das Grundstück eines anderen auf eigene Rechnung zu verwerten, die Rede ist. Das Nebeneinander dieser beiden Möglichkeiten ändert nichts daran, dass beide Male eine Rechtsmacht zur Grundstücksverwertung vorhanden sein muss. Die Rechtsmacht kann sich aus einem Auftragsverhältnis, das auf den Erwerb eines Grundstücks gerichtet ist, ergeben (sog. Auftragserwerb), und zwar für den Auftraggeber in Gestalt seines Anspruchs, gemäß § 667 BGB vom Beauftragten die Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten verlangen zu können. Dieser Anspruch verkörpert die erforderliche Rechtsmacht zur Verwertung des vom Beauftragten erworbenen Grundstücks auf Rechnung des Auftraggebers. Dabei braucht die Verwertung auf eigene Rechnung nicht stets in einer Herausgabe des Grundstücks an den Auftraggeber zu bestehen. Der Auftrag kann auch dahin lauten, dass der Beauftragte das erworbene Grundstück selbst verwerten – etwa weiterveräußern – und dem Auftraggeber gemäß § 667 BGB den Verwertungserlös auszuhändigen hat. Auch solch ein Auftragserwerb erfüllt in der Person des...