Anders als die Verjährung hat die Verwirkung bei einem Vorliegen der Voraussetzungen nicht das Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zur Folge.[1] Nur die Geltendmachung des Anspruchs ist gehemmt, sodass er auch durchaus erfüllt werden kann.[2] Theoretisch ist es sogar möglich, dass bei der Verwirkung nach Wegfall des Vertrauenstatbestandes wieder eine Durchsetzung des Steueranspruchs in Betracht kommt. Da jedoch – wie oben dargestellt – mit einem zunehmenden Zeitablauf das Vertrauen des Steuerpflichtigen in das Nichttätigwerden seitens der Finanzverwaltung stetig gestärkt wird, dürfte es sich bei dieser Möglichkeit nicht um eine Frage von Praxisrelevanz handeln.

Interessant ist die Frage, ob ein verwirkter Anspruch im Rahmen einer Saldierung von Fehlern nach § 177 AO zu berücksichtigen ist. Da der BFH sogar verjährte Steueransprüche mit in die Berechnung des Änderungsrahmens einbezieht[3], wird man davon auszugehen haben, dass der BFH dies auch so im Fall eines verwirkten Steueranspruchs entscheiden würde. Dies wäre indes nicht richtig, da eine solche Einbeziehung eines verwirkten Steueranspruchs der Schutzwirkung der Verwirkung entgegenwirken würde.

[2] Boeker, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO, § 47 AO Tz. 59; Pahlke, in Schwarz/Pahlke, AO, § 4 AO Tz. 63; so auch BFH, Beschluss v. 13.9.1991, IV B 105/90, BStBl 1992 II S. 148 (150).
[3] BFH, Urteil v. 18.12.1991, X R 38/90, BStBl 1992 II S. 504; kritisch hierzu Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO, § 177 AO Tz. 22f.

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