FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 6.10.2014, S 0462
Ergänzung der Regelungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 235
1. Allgemeines
Eine ausführliche Darstellung der Rechtsgrundlagen ergibt sich aus dem AEAO zu § 235.
2. Zweck und Voraussetzungen der Verzinsung (siehe AEAO zu § 235, Nr. 1)
(siehe AEAO zu § 235, Nr. 1)
3. Gegenstand der Verzinsung (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 2)
3.1 Umsatzsteuer
Bei der Bearbeitung von Umsatzsteuererklärungen mit hohen Abschlusszahlungen und berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist zu prüfen, ob diese Selbstanzeigen darstellen (§ 371 Abs. 3 und 4 AO) und die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Betracht kommt. Für das Veranlagungsverfahren wird unter folgenden Voraussetzungen der PH 667 ausgegeben: Die Abschlusszahlung im Sinne des § 18 Abs. 4 UStG aufgrund der Umsatzsteuer-Jahreserklärung beträgt mehr als 10.000,00 EUR oder mehr als 5 v.H. der Summe der vorangemeldeten Umsatzsteuer und mindestens 5.000,00 EUR (DA-ADV / Fach 092 Hinweise mit Verweis auf die DDV-Auskunft). Nach dem Inhalt des PH 667 ist u. a. auch zu prüfen, ob Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.
3.2 Einkommensteuer und Körperschaftsteuer
Insbesondere in den Fällen von lang andauernden Steuerverkürzungen bei ausländischen Kapitalerträgen sind auch die verkürzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nach § 235 AO zu verzinsen. In diesen Fällen betrifft die Verkürzung nicht ausschließlich die Jahreseinkommensteuer, sondern auch die vierteljährlichen Einkommensteuer-Vorauszahlungen, da diese bei Berücksichtigung der hinterzogenen Einkommensteuer des Vorjahres höher hätten festgesetzt werden müssen und der Hinterzieher sich dadurch bis zur endgültigen Festsetzung der Jahreseinkommensteuer einen ungerechtfertigten Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil verschafft (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1997, VII R 74/96, BStBl 1997 II S. 600). Demzufolge fallen auch keine oder zu geringe Steuervorauszahlungen unter den Begriff der „verkürzten Steuer” (vgl. AEAO zu § 235 Nr. 2.1) und sind mithin gesondert zu verzinsen.
Der objektive Tatbestand einer Hinterziehung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen kann bereits dann erfüllt sein, wenn durch unrichtige Angaben in einer Jahressteuererklärung bewirkt wird, dass neben der Jahreseinkommensteuer auch die Einkommen-Vorauszahlungen für einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Diese Verkürzung ist aber weder im Unrechtsgehalt noch betragsmäßig mit einer evtl. späteren Einkommensteuerhinterziehung identisch, so dass es sich insoweit um aufeinanderfolgende Steuerhinterziehungen handelt, die nach Nr. 2.3 AEAO zu § 235 nicht als eine Tat zu würdigen, sondern als selbständige Taten zu behandeln sind.
Dies gilt entsprechend auch für verkürzte Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen.
3.3 Solidaritätszuschlag
Bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer sind auch Zinsen zum Solidaritätszuschlag festzusetzen.
3.4 Kirchensteuer
Verkürzte Kirchensteuern sind nicht zu verzinsen, da § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz – KiStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.1975 (GV. NW. 1975 S. 438) die Anwendung der Vorschriften des Fünften Teils Zweiter Abschnitt der Abgabenordnung (Verzinsung, Säumniszuschläge) ausdrücklich ausschließt.
4. Zinsschuldner (siehe AEAO zu § 235, Nr. 3)
(siehe AEAO zu § 235, Nr. 3)
5. Zinslauf (siehe AEAO zu § 235, Nr. 4)
(siehe AEAO zu § 235, Nr. 4)
6. Höhe der Hinterziehungszinsen (siehe AEAO zu § 235, Nr. 5)
(siehe AEAO zu § 235, Nr. 5)
7. Verfahren (Ergänzung des AEAO zu § 235, Nr. 6)
7.1 Festsetzung der Zinsen
Hinterziehungszinsen sind steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO). Auf sie sind die für Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zinsschuldner ist somit ein Zinsbescheid zu erteilen, der die Erfordernisse des § 157 AO erfüllt. Zur Zinsfestsetzung ist der Vordruck Nr. 605/36 zu verwenden (ETV-Vorlagenschrank). Rundungs- und Kleinbetragsregelungen sowie die Anrechnung für gleiche Zeiträume festgesetzter Nachzahlungszinsen werden im Vordruck berücksichtigt.
Auf die berechneten Hinterziehungszinsen sind – vor Festsetzung – die Zinsen nach § 233a AO anzurechnen, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden (vgl. AEAO zu § 233a, Nr. 66); der Anrechnungsbetrag muss personell ermittelt werden.
Es wird den Festsetzungsfinanzämtern – unter Berücksichtigung der jeweiligen personellen Situation – empfohlen, für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen aus Zweckmäßigkeitsgründen eine zentrale Stelle einzurichten. Die Einführung einer solchen „Zentralbearbeitung” bleibt den Finanzämtern aber – wie bisher – freigestellt.
Hinweis zur Einkommensteuerfestsetzung:
Festgesetzte Nachzahlungszinsen, die auf Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 4 AO angerechnet wurden, können nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der bis einschließlich 1998...