Leitsatz (amtlich)
1. Ist absehbar, dass sich ein angefochtener Verwaltungsakt vor Eintritt der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils erledigt haben wird, so schließt das das Rechtsschutzinteresse an der Kassation nicht aus, wenn ein über den Zeitpunkt der künftigen Erledigung hinausgehendes berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist bzw. war.
2. Ein nach § 26 BörsG zugelassener Skontroführer, dem die Zuteilung von Skontren verweigert wird, während anderen zugelassenen Skontroführern Skontren zugeteilt werden, kann geltend machen, durch die Zuteilungsbescheide zugunsten seiner Wettbewerber in eigenen Rechten verletzt zu sein, nämlich in seiner Wettbewerbsfreiheit (Art. 12, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 GG). Er ist deshalb befugt, gegen diese Bescheide Anfechtungsklage zu erheben.
3. Zu der Frage, ob der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse eine Notkompetenz zur Verfügung steht, um auch ohne eine wirksame Verteilungsregelung in der Börsenordnung Kriterien für die Verteilung von Skontren aufzustellen und auf dieser Grundlage Skontren zuzuteilen.
Tenor
1. Die Zuteilungsbescheide der Beklagten vom 20.05. 2005 zugunsten der Beigeladenen zu 1 bis 10 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 13.04.2006 (CM05CK/101.1 bis CM05CK/101.10) werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in den Vorverfahren bezüglich der Zuteilungsbescheide an die Beigeladenen wird für notwendig erklärt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festgesetzten Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine nach § 26 BörsG für die Frankfurter Wertpapierbörse zugelassene Skontroführerin. Skontroführung ist die Vermittlung und der Abschluss von Börsengeschäften in den einem Skontroführer zugewiesenen Wertpapieren unter Einschluss der Preisfeststellung im Präsenzhandel der Wertpapierbörse. Die Beklagte führte zum 01.07.2005 eine neue Verteilungsregelung für Aktien-Skontren im amtlichen und geregelten Markt ein (§§ 39c ff. der Börsenordnung in der am 15.03.2005 in Kraft getretenen Fassung). Zur Implementierung dieser neuen Verteilungsregelung hatte die Beklagte durch entsprechende Befristungsregelungen dafür gesorgt, dass alle früheren Skontrenzuteilungen an der Frankfurter Wertpapierbörse zum 30.06.2005 erloschen. Sie nahm nun nach der neuen Regelung eine neue Verteilung sämtlicher Skontren unter jenen zugelassenen Skontroführern vor, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Mit Bescheiden vom 20.05.2005 verteilte sie sämtliche Skontren unter Anordnung des Sofortvollzugs an die Beigeladenen. Der Klägerin teilte sie keine Skontren zu. Zur Begründung gab sie an, dass die Klägerin die Voraussetzungen der neuen Verteilungsregelung nicht erfülle.
Die Klägerin erhob gegen sämtliche Zuteilungsbescheide ihrer Konkurrenten wie auch gegen den an sie selbst ergangenen Ablehnungsbescheid Widerspruch. Am 20.05.2005 stellte sie beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof Normenkontrollantrag gegen die Verteilungsregelungen der Börsenordnung, über den der HessVGH mit Urteil vom 27.09.2006 entschieden hat (6 N 2388/05).
Bereits am 22.03.2006 hat die Klägerin gegen die Beklagte Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zur Zuteilung von Skontren verpflichten zu lassen. Nachdem die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 13.04.2006 die Widersprüche zurückgewiesen hatte, setzte die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.05.2006 das Verfahren als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage fort und erweiterte die Klage zugleich hinsichtlich einer Anfechtungsklage gegen die zugunsten der Beigeladenen ergangenen Zuteilungsbescheide.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die zugunsten der Beigeladenen ergangenen Zuwendungsbescheide aufzuheben sind, weil sie auf den Verteilungsregelungen der Börsenordnung beruhen, die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 27.09.2006 für unwirksam erklärt habe. Zugleich stehe ihr selbst ein Anspruch auf Zuteilung von Skontren zu. Dieser ergäbe sich unmittelbar aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit. Der HessVGH habe auch anerkannt, dass der Beklagten auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 BörsG eine Notkompetenz zur vorläufigen Skontrenverteilung zustehe. Demzufolge habe er auch § 39q Abs. 2 BörsO nicht für unwirksam erklärt. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf Bescheidung ihres Zuteilungsantrages nach pflichtgemäßem Ermessen.
Die Klägerin beantragt,
die Zuteilungsbescheide der Beklagten vom 20.05.2005 zugunsten der Beigeladenen zu 1 bis 10 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 13.04.2006 (CM05CK/101.1 bis CM05CK/101.10) aufzuheben,
hilfsweise: festzustellen dass die Zuteilungsbescheide der Beklagten vom 20.05. 2005 zugunsten der Beigeladenen zu 1 bis 10 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 13.04.2006 ...