Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfälle einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit eingestellten Anlage als Altlastmasseverbindlichkeit. Immissionsschutzrechtliche Ordnungsverfügung gegen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige bereits eingestellte Anlage
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt der Insolvenzverwalter den Betrieb einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ein, so ist seine immissionsschutzrechtliche Verantwortlichkeit für im Betrieb angefallene Abfälle nur eine Altmasseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, keine Neumasseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
2. Wegen des Vollstreckungsverbots aus § 210 InsO kann eine auf §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG gestützte Ordnungsverfügung gegen den Insolvenzverwalter in diesem Fall nicht mehr ergehen.
Normenkette
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3, § 210; BImSchG § 5 Abs. 3 Nr. 2, § 17 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 3 K 1640/11 wird hinsichtlich Nr. 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums XXX vom 20.07.2011 wiederhergestellt sowie bezüglich Nr. 7 – soweit sich die Androhung des Zwangsgeldes auf Nr. 2 der Verfügung vom 20.07.2011 bezieht – und Nr. 8 angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Soweit der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg hat, wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin XXX zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verwaltungsgerichts Freiburg niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet. Der weitergehende Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 65.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit Beschluss vom 01.05.2009 (257 IN 24/09) eröffnete das AG Dortmund das Insolvenzverfahren über das Vermögen der XXX GmbH, die in XXX, Ortsteil XXX ein nach § 4 BImSchG i.V.m. § 1 4. BImschV, Anhang Nr. 3.4, Spalte 1 genehmigungsbedürftiges Aluminiumschmelzwerk betrieb, und bestellte gleichzeitig den Antragsteller zum Insolvenzverwalter.
Mit e-mail vom 02.08.2010 informierte der Produktionsleiter der XXX GmbH, der auch die Produktion der XXX GmbH betreute, das Regierungspräsidium XXX darüber, dass die Produktion der XXX GmbH zum 31.07.2010 „ zunächst gestoppt” worden sei.
Nach wiederholter Aufforderung teilte der Antragsteller dem Regierungspräsidium XXX mit Schreiben vom 15.12.2010 mit, an Abfällen lagerten auf dem Betriebsgrundstück der XXX GmbH ca. 300 to Salzschlacke und ca. 150 to Filterstäube, die ordnungsgemäß in sogenannten BigBags verpackt seien. Den erbetenen Termin für eine Ortsbesichtigung werde der Immissionsschutzbeauftragte der XXX GmbH mit dem Regierungspräsidium XXX vereinbaren.
Am 22.12.2010 (Schreiben vom 16.12.2010) zeigte der Antragsteller gegenüber dem AG Dortmund gemäß § 208 Abs. 1 InsO die Masseunzulänglichkeit an. Darüber setzte er das Regierungspräsidium XXX mit e-mail vom 17.05.2011 in Kenntnis, nachdem er zuvor erneut aufgefordert worden war, mitzuteilen, welche Abfälle sich auf dem Betriebsgelände der XXX GmbH befänden, und einen Ortstermin zu vereinbaren.
Im Ortstermin am 01.06.2011 (Teilnehmer: Mitarbeiter des Regierungspräsidiums XXX und der Immissionsschutzbeauftragte) wurde festgestellt, dass der Betrieb der Aluminiumschmelzanlage eingestellt worden war und eine kurzfristige Wiederinbetriebnahme wegen der durchgeführten Demontagearbeiten und des schlechten baulichen Zustands (u.a. im Frühjahr 2011 eingestürzter Kamin, der das Dach durchschlagen hat) nicht möglich ist. In der Schmelzhalle befanden sich ca. 500 – 1000 to Aluminiumsalzschlacke, ca. 50 to Filterstaub in BigBags und etwa 15 to Ofenausbruch. In der Spänehalle wurden ca. 100 to Filterstaub in BigBags vorgefunden. Folgende Sofortmaßnahmen sollten unverzüglich durchgeführt werden: Verschließen sämtlicher Zugänge (Türen und Tore) zu den Hallen, Benennung eines Verantwortlichen vor Ort für die Verwaltung der Hallen- und Raumschlüssel und Umlagerung der Filterstaub-BigBags aus der Schmelz- in die Spänehalle.
Im Schreiben vom 18.07.2011 an das AG Dortmund führte der Antragsteller aus, der Immissionsschutzbeauftragte habe bestätigt, dass die Sofortmaßnahmen bereits am 10.06.2011 umgesetzt worden seien. Verantwortlicher für die Schlüssel zu den einzelnen Hallen und Räumen sei Herr XXX von der Fa. XXX GmbH, die ihr Betriebsgelände unmittelbar neben dem der Gemeinschuldnerin habe. Die aus Sicht des Regierungspräsidiums XXX unmittelbar drohenden Gefahren seien damit abgewendet. Die Klärung der Frage, ob die Insolvenzmasse trotz der Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Beseitigung der Altlasten herangezogen werden könne, werde voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen.
Mit der streitigen Verfügung vom 20.07.2011 ordnete das Regierungspräsidium XXX gegenüber dem Antragsteller an, die mit Filterstaub gefüllten BigBags...