Leitsatz (amtlich)
1. Für Rechtsstreitigkeiten über Auskunftsansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist – unabhängig vom Inhalt der begehrten Information – der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
2. Ein Insolvenzverwalter kann gegen einen Träger der Sozialversicherung einen Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz geltend machen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 18.02.2009 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wann und in welcher Höhe sie im Zeitraum vom 19.05.2008 bis zum 17.10.2008 bzw. danach von der Insolvenzschuldnerin … Zahlungen auf deren Beitragskonto für die Betriebsnummer … erhalten hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG).
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der …. Diese war Betreiberin eines Gesundheits- und Massagestudios in … und hatte an die Beklagte, eine Ersatzkasse, für die bei ihr versicherten Arbeitnehmer den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zusammen mit den anteiligen Arbeitnehmeranteilen zu entrichten. Am 18.08.2008 hatte die Beklagte beim Amtsgericht … den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der … gestellt, da diese ihr Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich aller Nebenkosten bis einschließlich 31.07.2008 in Höhe von insgesamt 1 751,69 EUR schulde. Das Amtsgericht beschloss am 17.10.2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und ernannte die Klägerin zur Insolvenzverwalterin. Mit Schreiben vom 30.10.2008 meldete die Beklagte bei der Klägerin Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin in Höhe von 1 692,23 EUR an.
Am 13.11.2008 bat die Klägerin die Beklagte unter Bezug auf die Forderungsanmeldung unter Berufung auf § 1 Abs. 1 IFG um Auskunft darüber, welche Zahlungen (wann und in welcher Höhe) von der Schuldnerin an die Beklagte im Zeitraum vom 19.05.2008 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 17.10.2008 geleistet worden sind bzw. welche Zahlungen auf dem Beitragskonto für die Betriebsnummer … in diesem Zeitraum gutgeschrieben worden sind.
Mit Bescheid vom 19.11.2008 lehnte die Beklagte die Erteilung der Auskunft ab. Der nach dem IFG geltend gemachte Anspruch diene lediglich der Ausforschung des Anfechtungsgegners. Nach Sinn und Zweck diene das IFG vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung und der effektiven Wahrnehmung von Bürgerrechten. Auskünfte der betreffenden Art dienten einem Insolvenzverwalter jedoch nicht zur Erfüllung seines Allgemeininteresses an amtlich zugänglichem Informationsmaterial, sondern ausschließlich zur Einholung von ganz speziellen Einzelfallauskünften bei einem künftigen Klagegegner zur Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung. Die Erschleichung solcher Auskünfte unter Berufung auf das IFG sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da lediglich im Zivilrechtsweg durchzusetzende Ansprüche vorbereitet werden sollten. Hinzu komme, dass sich ein Insolvenzverwalter die Informationen beim Insolvenzschuldner und dessen Finanzunterlagen zu holen habe und damit entsprechend § 9 Abs. 3 IFG selbst beschaffen könne.
Am 25.11.2008 erhob die Klägerin Widerspruch, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2009 zurückwies: Eine Insolvenzverwalterin handele als Partei kraft Amtes und nicht als Bürgerin. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Auskünfte nach dem IFG. Ein Anspruch auf Informationszugang bestehe nicht, wenn die Auskunft die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung beeinträchtigte.
Die Klägerin erhob am 18.03.2009 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor: Es sei schon rein rechnerisch davon auszugehen, dass von der Insolvenzschuldnerin sowohl vor der Insolvenzantragstellung als auch im Zeitraum zwischen dieser und der Eröffnung des Verfahrens Zahlungen an die Beklagte geleistet worden seien, die möglicherweise der insolvenzrechtlichen Anfechtung unterlägen. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe die Beklagte mit Zahlungsrückständen bis zum 31.07.2008 in Höhe von 1 751,69 EUR begründet. In einer Zahlungsanforderung vom 06.06.2008 sei noch ein Rückstand in Höhe von 3 154,67 EUR auf dem Beitragskonto ausgewiesen, während zur Insolvenztabelle rückständige Beiträge in Höhe von insgesamt 1 692,23 EUR angemeldet worden seien. Die Insolvenzschuldnerin verfüge nicht über eine geordnete Buchhaltung. Aus dem von ihr übergebenen Belegwesen sei nicht ersichtlich, wann und in welcher Höhe Zahlungen an die Beklagte im Zeitraum vom 19.05.2008 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 17.10.2008 geleistet worden seien. Auf Befragung habe sie sich zwar daran erinnern können, i...