Rz. 1173

Eine besondere Problematik stellt sich, wenn es bei einer in ein Cash Pooling-System eingebundenen Tochter-GmbH zur Barkapitalerhöhung kommt.[1] Sobald die aufgrund der Kapitalerhöhung zu leistende Einlage auf das Konto der Tochter-GmbH überwiesen wird, fließt sie im Rahmen des Cash Pooling unverzüglich an die Muttergesellschaft (oder eine Schwestergesellschaft)[2] zurück. Die Zulässigkeit derartiger Gestaltungen hängt davon ab, ob es sich um ein Upstream- oder ein Downstream-Darlehen handelt.

 

Rz. 1174

Sofern die Tochter-GmbH einen positiven Cash Pool-Saldo aufweist und der Muttergesellschaft (mit der beim zero-balancing sofort erfolgenden Rückzahlung der Einlage) ein Upstream-Loan gewährt, stellt dies eine Hin-und-Her-Zahlung dar, die gegen den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung verstößt.[3] Dies gilt dann jedoch nicht, wenn (Achtung: hier gilt – anders als bei der verdeckten Sacheinlage – das "Alles oder Nichts-Prinzip")[4] der Rückzahlungsanspruch der Tochter-GmbH vollwertig und jederzeit fällig bzw. kündbar ist[5] und damit die Sonderregelung des § 19 Abs. 5 GmbHG eingehalten wird. Der BGH sieht darüber hinaus bei strenger Auslegung der Vorschrift die Offenlegung der Einbeziehung der Bareinlage in den Cash Pool im Rahmen der Handelsregisteranmeldung als Voraussetzung für die Erfüllung der Einlageschuld an.[6] Werden die Voraussetzungen nicht eingehalten, ist die Bareinlageverpflichtung nicht erfüllt und muss (regelmäßig in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Tochter-GmbH) nochmals erbracht werden. Dabei ist zu beachten, dass nach Ansicht des BGH einzelne, nicht weiter bezeichnete Zahlungen der Muttergesellschaft, die im Rahmen des Cash Pooling an die Tochter-GmbH erfolgt sind, nicht zweifelsfrei der noch offenen Einlageleistung zuzuordnen sind und daher (selbst wenn sie zu einem ausgeglichenen oder zu Lasten der Tochter-GmbH negativen Cash Pool-Saldo führen) keinerlei Tilgungswirkung für die Einlageschuld haben.[7] Generell sollte die Leistung der Stammeinlage immer mit einer eindeutigen Tilgungsbestimmung versehen sein.

 

Rz. 1175

Weist die Tochter-GmbH zum Zeitpunkt der Barkapitalerhöhung einen negativen Cash Pool-Saldo auf, stellt die (beim zero-balancing sofort erfolgende) Rückzahlung der Bareinlage die Rückführung eines Down­stream-Loans dar. Damit wird der Tochter-GmbH de facto kein Bargeld zur freien Verfügung der Geschäftsführung zugeführt, sondern sie wird von einer Verbindlichkeit aus dem Cash Pool befreit – der klassische Fall einer verdeckten Sacheinlage.[8] Nach § 19 Abs. 4 Satz 2 ff. GmbHG gilt die Anrechnungslösung: Die Einlageschuld gilt zwar als nicht erfüllt, die Verträge über die verdeckte Sacheinlage sind jedoch – entgegen der Rechtslage vor dem MoMiG – wirksam und der Wert der verdeckten Sacheinlage wird auf die offene Einlageschuld angerechnet. Im Fall des Cash Poolings bedeutet dies: Da die Tochter- GmbH von einer Zahlungspflicht befreit wird, kommt es auf den Wert des Darlehensrückzahlungsanspruchs der Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Zahlung an.[9]

 

Rz. 1176

Die unter Rn. 1174 f. dargestellten Grundsätze können auch kumulativ Anwendung finden, wenn ein negativer Saldo durch die Einlageleistung positiv wurde (verdeckte Mischeinlage). In diesem Fall gelten in Höhe des Negativsaldos die Ausführungen zur verdeckten Sacheinlage, für den überschießenden Betrag die Ausführungen zum Hin- und Herzahlen.

 

Rz. 1177

Vermieden werden können die dargestellten Probleme auf verschiedenen Wegen:

  • Zahlung der Einlage auf ein nicht in den Cash Pool einbezogenes, separates Konto (ggf. sogar bei einer anderen Bank), das auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht in den Cash Pool einbezogen werden darf.[10] Die Einlage darf für die operative Geschäftstätigkeit der GmbH genutzt werden, jedoch nicht an die Muttergesellschaft zurückfließen;[11]
  • Modifizierung des Cash Pooling-Vertrags im Sinne eines sog. Target Balancing dergestalt, dass vom Konto der GmbH dauerhaft nur Guthabenbeträge an das Zentralkonto des Cash Pools abgeführt werden, die den Bareinlagebetrag übersteigen;[12]
  • eine Sachkapitalerhöhung, bei der Zahlungsansprüche gegen die Tochter-GmbH eingebracht werden (und damit der Gegenstand der Sacheinlage genau bestimmbar ist);[13]
  • Einbringung in die sonstige Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB und ggf. spätere Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.[14]

Nicht erforderlich (und im Regelfall nicht wünschenswert) ist es vor diesem Hintergrund, die betroffene Tochter-GmbH gänzlich oder für eine "Karenzzeit" mehrerer Monate aus dem Cash Pooling herauszunehmen.[15]

[1] Umfassend dazu z. B. Komo, BB 2011, S. 2307 ff.; Altmeppen, NZG 2010, S. 441.
[2] Zahlungen an eine Schwestergesellschaft werden der Muttergesellschaft zugerechnet.
[3] BGH, Urteil v. 20.7.2009, II ZR 273/07, ZIP 2009 S. 1561; Saenger, in Saenger/Inhester, § 19 Rn. 125 ff.; Schwandtner, in MüKo-GmbH, § 19 Rn. 209 ff.; Altmeppen, ZIP 2009, S. 1545, 1546 m. w. N.
[4] Schwandtner, in MüKo-GmbHG, 3. Aufl. 2018. § 19 Rn. 356.
[5] N...

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