Rz. 1233

Der ordentlichen Kapitalerhöhung entsprechend steht den Gesellschaftern auch bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals ein Bezugsrecht ab Entscheidung der Geschäftsführer über die Ausnutzung einer wirksamen Ermächtigung auf verhältniswahrende Übernahme der neuen Geschäftsanteile zu (§§ 203 Abs. 1 Satz 1, 186 Abs. 1 AktG analog).[1]

 

Rz. 1234

Das Bezugsrecht kann nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden. Der Ausschluss kann dabei entweder in der Ermächtigung der Gründungssatzung oder dem Ermächtigungsbeschluss (Direktausschluss) durch die Gesellschafter erfolgen oder die Geschäftsführung kann (in der ursprünglichen oder geänderten Satzung) von den Gesellschaftern ermächtigt werden, über den Ausschluss des Bezugsrechts zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 AktG analog, Ausschlussermächtigung).[2]

 

Rz. 1235

Zur AG hat die Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen die Voraussetzungen für einen wirksamen Bezugsrechtsausschluss dargelegt.[3] Diese finden teilweise und in modifizierter Weise auch im GmbH-Recht Anwendung.[4] In Hinblick auf die Wirksamkeit des Bezugsrechtsausschlusses ist daher wie folgt zu differenzieren:

 

Rz. 1236

Der Ausschluss des Bezugsrechts in der ursprünglichen Satzung der GmbH ist unproblematisch möglich, da die Satzung der GmbH bei Gründung einstimmig zu fassen ist und es folglich jeder Gesellschafter in der Hand hat, den Bezugsrechtsausschluss zu verhindern – weiterer formeller oder materieller Schutzmechanismen bedarf es in diesem Falle nicht. Zudem werden die Interessen der Gesellschafter auch dadurch gewahrt, dass bei der späteren Entscheidung der Geschäftsführung auch die Geschäftsführerentscheidung einer Kontrolle unterliegt (dazu sogleich).[5]

 

Rz. 1237

Erfolgt der Bezugsrechtsausschluss durch späteren Gesellschafterbeschluss wird man auf formeller Ebene Entsprechendes wie bei der ordentlichen Kapitalerhöhung fordern müssen.[6] Auf materieller Ebene erfordert die Wirksamkeit des Bezugsrechtsausschlusses seine sachliche Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft.[7] Umstritten ist dabei, ob im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses bereits im Sinne der "Holzmann"-Rechtsprechung feststehen muss, dass der Ausschluss zur Erreichung des angestrebten Ziels über die sachliche Rechtfertigung hinaus auch erforderlich und verhältnismäßig ist.[8] Sicherheitshalber sollte bei Beschlussfassung immer von den strengsten Voraussetzungen ausgegangen werden.

 

Rz. 1238

Wird der Bezugsrechtsausschluss durch die Geschäftsführer auf Grund entsprechender (natürlich wirksamer!) Ermächtigung in der Satzung angeordnet, ist er rechtmäßig, wenn er zum Wohl der Gesellschaft sachlich gerechtfertigt und im Übrigen zur Erreichung des mit ihm erstrebten Ziels auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Die oben dargestellten Erleichterungen (beispielsweise eine generell-abstrakte Betrachtung) finden auf die Entscheidung der Geschäftsführer keine Anwendung.[9] Zu beachten ist, dass die GmbH-Gesellschafter bei der Entscheidung der Geschäftsführung weisungsbefugt sind und/oder daneben auch in der Ermächtigung Schranken setzen können – dies kann einem ungewünschten Verhalten der Geschäftsführung entgegenwirken.

 

Rz. 1239

Gegen den Gesellschafterbeschluss über den Bezugsrechtsausschluss kann Anfechtungsklage nach § 243 Abs. 1 AktG analog erhoben werden. Gegen einen ungerechtfertigten oder anderweitig fehlerhaften Bezugsrechtsausschluss durch die Geschäftsführung, gibt es diese Möglichkeit nicht – stattdessen bleibt dem Betroffenen nur die allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) oder Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführung (§ 43 Abs. 2 GmbHG).[10]

 

Rz. 1240

Unabhängig davon, ob der Bezugsrechtsausschluss in der Satzung, einem Beschluss oder von den Geschäftsführern angeordnet wird, besteht die Pflicht der Geschäftsführung, die Gesellschafter vor Ausübung der Ermächtigung über die maßgeblichen Umstände des Bezugsrechtsausschlusses (z. B. Bedeutung des Ausschlusses für das Gesellschaftsinteresse, Belastungen für die betroffenen Gesellschafter, Alternativen zur Erreichung des gewünschten Ziels) so konkret wie möglich (jedenfalls bei der Ermächtigung der Geschäftsführung zur Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss vorab[11]) zu informieren (§§ 186 Abs. 4 Satz 2, 203 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AktG analog).[12] Zu beachten ist, dass bei einer bloß abstrakten Umschreibung die Geschäftsführung später von der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung sowie ggf. zum Bezugsrechtsausschluss Gebrauch machen darf, wenn dann sein konkretes Vorhaben tatsächlich auch seiner abstrakten Umschreibung gegenüber der Gesellschafterversammlung entspricht und weiterhin im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt.[13]

[1] Lieder, in MüKo-GmbHG, § 55a Rn. 61; Bayer, in Lutter/Hommelhoff, § 55a Rn. 21; Inhester, in Saenger/Inhester, § 55a Rn. 22.
[2] OLG München, Beschluss v. 23.1.2012, 31 Wx 457/11, NZG 2012 S. 426; Priester, in Scholz, § 55a Rn. 35; Inhester, in Saenger/Inhester, § 55a Rn. 24.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge