Die Prokura ist die im HGB (§§ 48–53) am umfangreichsten geregelte Form der Vollmacht. Sie ist mit ganz erheblichen Vertretungsbefugnissen ausgestattet und dient dazu, den Inhaber des Handelsgeschäfts zu ersetzen. Der Inhaber wiederum unterstreicht mit der Prokura-Erteilung sein enormes Vertrauen in die Person des Prokuristen durch Verleihung eines Titels. Auch für die Prokura gelten die Grundsätze der Handlungsvollmacht, weshalb nachfolgend nur auf die Unterschiede hingewiesen wird.
5.1 Erteilung der Prokura
5.1.1 Form
Die Erteilung der Prokura erfolgt durch eine formlose Erklärung gegenüber dem Prokuristen. Im Gegensatz zur Erteilung der Handlungsvollmacht kann die Prokura nicht gegenüber einem Dritten erklärt werden. Sie kann aber im Handelsregister eingetragen werden.
Prokura wirkt schon vor der Handelsregistereintragung
Entgegen einer in der Praxis weit verbreiteten Ansicht wird die Prokura nicht erst mit Eintragung in das Handelsregister wirksam. Die Erklärung gegenüber dem Prokuristen ist ausreichend. Die Eintragung in das Handelsregister dient der öffentlichen Bekanntmachung an einen unbestimmten Personenkreis und hat damit rein deklaratorischen Charakter.
5.1.2 Berechtigte Personen
Innerhalb der GmbH ist zur Prokura-Erteilung ausschließlich der Geschäftsführer oder die Gesellschafterversammlung berechtigt. Dieses Recht kann nicht übertragen werden (z. B. auf einen Generalbevollmächtigten).
5.2 Voraussetzungen des Handelns als Prokurist
Für das Handeln als Prokurist gelten die Grundsätze der Handlungsvollmacht. Die Vertretung ist anzuzeigen. Dies geschieht in der Regel mit dem Zusatz "ppa." oder "Prokurist" neben der Unterschrift.
Ein Prokurist sollte seine Position immer betonen
Falsch ist die weit verbreitete Auffassung, dass ein Prokurist, der im Handelsregister eingetragen ist, die Vertretung nicht mehr anzeigen muss, da sich diese aus dem Handelsregister ergibt. Auch der Prokurist könnte ohne Weiteres in eigenem Namen Verträge abschließen. Die Anzeige des Handelns für einen anderen ist daher immer notwendig und unterstreicht gegenüber dem anderen Vertragspartner den Stellenwert im Unternehmen.
5.3 Umfang der Prokura
Innerhalb des Unternehmens darf der Prokurist mit Wirkung für und gegen das Unternehmen Geschäfte jeglicher Art tätigen, die in Zusammenhang mit dem Handelsgeschäft stehen. Im Gegensatz zur Handlungsvollmacht ist seine Vertretungsmacht nicht auf die Geschäfte beschränkt, die das Handelsgeschäft mit sich bringt, sondern erstreckt sich z. B. auch auf Nebentätigkeiten, organisatorische Maßnahmen, Betriebserweiterungen oder Stilllegungen. Er kann Prozesse führen, Vergleiche abschließen, Arbeitsverträge abschließen oder beenden und sogar Anmeldungen zum Handelsregister vornehmen.
5.4 Beschränkungen der Prokura
5.4.1 Beschränkung der Prokura im Außenverhältnis
Der Umfang der Prokura ist nach außen, somit im Verhältnis zwischen dem Prokuristen und dem Vertragspartner, nicht beschränkbar. Gegenüber Dritten/Vertragspartnern gilt die Prokura daher unbeschränkt (§ 49 HGB). Im Interesse der Förderung des Handelsverkehrs soll der Vertragspartner darauf vertrauen dürfen, dass der Prokurist umfangreiche Vertretungsmacht besitzt. Folgende Handlungen umfasst die Prokura grundsätzlich nicht:
- die Veräußerung und Belastung (z. B. Grundschuld, Hypothek) von Grundstücken,
- Prinzipalgeschäfte (z. B. Zeichnung des Jahresabschlusses, Umwandlungen des Unternehmens oder Anmeldung von Kapitalerhöhungen obliegen nur dem Geschäftsführer),
- Privatgeschäfte des Geschäftsführers (z. B. Leasing eines Fahrzeugs oder Beschaffung einer Haushälterin für die Privatwohnung des Geschäftsführers).
Darüber hinaus kann jeder, der mit einem Prokuristen Geschäfte macht, darauf vertrauen, dass dieser vollumfänglich durch die GmbH bevollmächtigt wurde und zwar auch dann, wenn der Vertragspartner weiß, dass der Prokurist seine ihm durch das Unternehmen verliehenen Kompetenzen überschreitet. Der Gesetzgeber ist nämlich der Ansicht, dass das Unternehmen mit der Erteilung der Prokura auch ein besonderes Vertrauen in die Person des Bevollmächtigten demonstriert. Hätte er nur eingeschränkte Vollmacht erteilen wollen, hätte er sich für die Alternative der weniger umfangreichen Handlungsvollmacht entscheiden können.
Vertrauenswürdigkeit ist unabdingbar
Die Erteilung der Prokura kann sehr gefährlich sein. Prokura sollte nur dann erteilt werden, wenn besonderes Vertrauen in die Person des Prokuristen vorhanden ist.
5.4.2 Gesamtprokura
Eine Gesamtprokura liegt vor, wenn der Prokurist das Unternehmen nur gemeinsam mit einem anderen Prokuristen oder Geschäftsführer wirksam vertreten kann. Diese Form der Prokura ist in der Praxis besonders beliebt, da sie das Unternehmen vor einer übereilten oder riskanten Entscheidung des Prokuristen dadurch schützt, dass zur Wirksamkeit einer Handlung immer auch ein anderer Prokurist oder Geschäftsführer der Entscheidung zustimmen muss. Auf diese Weise kann der mit umfangreichem Handlungsspielraum ausgestattete Prokurist durch einen anderen überwacht werden.
Notwendig ist in diesen Fällen nicht, dass die Gesamtbevollmächtigten ihre Entscheidung gemeinsam treffen und ggf. sogar gleichzeitig unterzeichnen. Es genügt, wenn das Geschäft...