Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Eine in 2007 geleistete Vorabverwaltungsgebühr zählt nicht zu den Anschaffungskosten und ist als Werbungskosten im Veranlagungszeitraum der Zahlung abziehbar. Bei einem über 30 Jahre laufenden Anlageprogramm liegt auch kein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) vor.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige schloss in 2007 einen über 30 Jahre laufenden Anlagevertrag ab, nachdem eine Einmaleinlage sowie monatliche Beträge zu leisten waren. In 2007 wurde im Monat der Leistung der Einmaleinlage dem Depotkonto des Steuerpflichtigen auch eine Vorabverwaltungsgebühr i. H. v. 17.339 EUR belastet. Diesen Betrag machte der Steuerpflichtige als Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen geltend. Demgegenüber berücksichtigte die Finanzverwaltung lediglich einen Betrag i. H. v. 578 EUR, weil sie der Auffassung war, dass das Anlageprogramm als oberstes Ziel das Erreichen von Wertsteigerungen der Anlagen anstrebe und daher Anschaffungs- bzw. Anschaffungsnebenkosten vorliegen würden. Im Übrigen sei die Gestaltung rein steuerlich motiviert, weshalb § 42 AO zur Anwendung komme.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt und entschied, dass die Vorabverwaltungsgebühr in vollem Umfang im Veranlagungszeitraum des Abflusses (§ 11 Abs. 2 EStG) als Werbungskosten bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte abziehbar ist. Zum einen strebte der Steuerpflichtige mit der Kapitalanlage einen Einnahmenüberschuss an. Zum anderen diente die Vorabverwaltungsgebühr dem Zweck, den Steuerpflichtigen zur Zahlung der Anlagebeträge bis zum vorgesehenen Endtermin anzuhalten, so dass die Gebühr keiner konkreten Kapitalanlage zugeordnet werden konnte und aus diesem Grunde auch nicht den Anschaffungs(neben)kosten zuzurechnen war.
Die Kosten waren auch sofort und nicht über die Laufzeit verteilt abziehbar, da die Vorabverwaltungsgebühr keine für eine Nutzungsüberlassung im Voraus gezahlte Ausgabe war. Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO war ebenfalls zu verneinen, da die Entrichtung von Voraus- und Abschlussgebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kapitalanlageverträgen durchaus üblich ist und im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung von Kapitaleinkünften (Einführung der Abgeltungsteuer ab 1.1.2009) insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts des Inkrafttretens noch ungewiss war. Das FG hält ferner in dem Fall, in dem die Werbungskosten vor dem 1.1.2009 abfließen, die dazugehörigen Einnahmen jedoch nach dem 31.12.2008 zufließen, das ab 2009 grundsätzlich geltende Werbungskostenabzugsverbot auf vor dem 1.1.2009 abgeflossene Aufwendungen für nicht anwendbar.
Hinweis
Im Gegensatz dazu vertritt das FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 14.12.2011, 2 K 1176/11, EFG 2012 S. 1146 die Auffassung, dass es für die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG i.d.F. des Unternehmenssteuer-Reformgesetz v. 14.8.2007 nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht auf den Zeitpunkt des Abflusses der tatsächlichen Ausgaben, sondern den Zeitpunkt des Zuflusses der mit diesen Aufwendungen zusammenhängenden Kapitalerträge ankomme. Daher seien die Aufwendungen, die im Zusammenhang mit nach dem 31.12.2008 zufließenden Erträgen stehen, selbst dann nicht abzugsfähig, wenn diese vor dem 1.1.2009 geleistet worden sind.
Gegen die Entscheidung des FG Niedersachsen ist die Revision unter dem Az. VIII R 44/12 anhängig. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher gegen ablehnende Steuerbescheide Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren Ruhen des Verfahrens (§ 363 Abs. 2 AO) beantragen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.09.2012, 4 K 316/10