Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Der sog. Vorbezug aus einer privaten schweizerischen Pensionskasse ist im Anwendungsbereich des AltEinkG als andere Leistung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG steuerpflichtig, soweit ein Anteil des obligatorischen Altersguthabens ausgezahlt wird (Anschluss an BFH-Entscheidungen vom 25.3.2010, X B 142/09, BFH/NV 2010, 1275; vom 20.8.2014, I R 83/11, BFH/NV 2015, 20). Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 EStG sind in diesem Fall nicht erfüllt.
2. Die Auszahlung eines Vorbezugs kann gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung steuerfrei sein, soweit das überobligatorische Altersguthaben samt des darin enthaltenen Zinsanteils zur Auszahlung gelangt.
3. Auch nach Inkrafttreten des AltEinkG sind obligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer privaten schweizerischen Pensionskasse sowie Arbeitgeberleistungen zur schweizerischen Alters- und Hinterlassenen- und Invalidenversicherung gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer schweizerischen Pensionskasse sind als Beiträge i.S.d. § 3 Nr. 62 Satz 4 1. Halbsatz EStG innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG steuerfrei; auf die danach steuerfreien Arbeitgeberleistungen sind die gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers anzurechnen (Anschluss an das BFH, Urteil vom 24.9.2013, VI R 6/11, BFHE 243, 210).
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc, § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 3 Nr. 3, § 3 Nr. 62, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 22 Nr. 5 EStG 2002 i. d. F. des AltEinkG vom 5.7.2004
Sachverhalt
Der Kläger, arbeitete seit 1992 bei verschiedenen schweizerischen Arbeitgebern. Er war deshalb Pflichtmitglied in der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der schweizerischen Invaliditätsversicherung (IV). Zudem war er mit Beginn seiner Berufstätigkeit in der Schweiz im Jahr 1992 der Pensionskasse seines ersten schweizerischen Arbeitgebers beigetreten, der er bis zum Wechsel des Arbeitsverhältnisses zur K‐AG angehörte. Mit Beginn seiner Tätigkeit bei der K‐AG zum 1.1.2001 trat der Kläger in die Pensionskasse der K‐AG ein. Die Pensionskasse sah u.a. mit dem Erreichen des 65. Lebensjahrs eine Altersrente vor und deckte auch das Invaliditätsrisiko ab.
Grundlage der Leistungen der Pensionskasse war eine Anwartschaft, die im Reglement der Pensionskasse als Sparguthaben bezeichnet wurde. In dieses gingen u.a. Freizügigkeitsleistungen (Eintrittsleistungen) früherer Arbeitgeber ein. Auch für den Kläger wurde durch die Pensionskasse des vorherigen Arbeitgebers im Jahr 2001 eine solche Leistung ermittelt und als Eintrittsleistung in die Pensionskasse der K‐AG übertragen. Das Sparguthaben erhöhte sich um freiwillig gezahlte Vorsorgebeiträge, die nur im Fall des Eintritts in die Pensionskasse und innerhalb bestimmter Höchstgrenzen geleistet werden konnten. Zudem beruhte das Sparguthaben auf den reglementarisch vorgeschriebenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen, Zuwendungen des Stiftungsrats und einer von der Pensionskasse gewährten Verzinsung des Sparguthabens.
Die Finanzierung des obligatorischen und überobligatorischen Altersguthabens beruhte auf Pflichtbeiträgen sowohl der versicherten Arbeitnehmer als auch des Arbeitgebers. Aus dem Gesamtbeitrag der Arbeitgeberbeiträge ermittelte der Kläger im Rahmen der Einkommensteuererklärung einen gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreien Teilbetrag und einen darüber hinausgehenden freiwilligen Arbeitgeberbeitrag, den er bei seinen Lohneinkünften erklärte.
Die Pensionskasse gewährte auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen in der Schweiz und ihres Reglements die Möglichkeit, ein bereits gebildetes Sparguthaben zum Erwerb von Wohneigentum für den Eigenbedarf zu verwenden.
Dem im Streitjahr 37-jährigen Kläger wurde von der Pensionskasse auf seinen Antrag hin ein Vorbezug (aus dem obligatorischen und dem überobligatorischen Sparguthaben) von insgesamt 85.000 CHF ausgezahlt, den er zur Finanzierung seines selbst genutzten Wohneigentums im Inland verwendete.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr behandelte der Kläger den Vorbezug als nicht steuerbare Einnahme.
Das FA sah den gesamten Vorbezug als "andere Leistung" gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG an. Hierbei nahm das FA auf Grundlage der sog. Kohortenregelung einen Abschlag i.H.v. 50 % vor und setzte die Hälfte des Vorbezugs als steuerpflichtige Einnahme an.
Das FG (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 28.4.2010, 3 K 1285/08, Haufe-Index 2613218, EFG 2011, 1799) gab der Klage weitgehend statt. Es stufte die Absicherung des Klägers im Obligatorium der Pensionskasse als eine der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare ausländische Rentenversicherung ein. Soweit der Vorbezug aus dem obligatorischen Sparguthaben geleistet worden sei, liege eine "andere Leistung aus einer gesetzlichen Rentenversicherung" gemä...