Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 11 GrEStG in der im Jahr 2001 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern unvereinbar ist, als er die Beteiligten an Erwerbsvorgängen i.S.d. § 8 Abs. 2 GrEStG, für die die (Ersatz-)Steuerbemessungsgrundlage nach § 138 Abs. 2 und 3 BewG in der im Jahr 2001 geltenden Fassung zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet.
Normenkette
§ 1 Abs. 2a, Abs. 3, § 8 Abs. 1, Abs. 2, § 9, § 11 GrEStG, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
An der M-GmbH, zu deren Gesellschaftsvermögen zahlreiche unbebaute, bebaute sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnende Grundstücke gehörten, waren die A-GmbH mit 99,8 % und die D-AG mit 0,2 % beteiligt. Die M-GmbH war ferner mit einem Anteil von 94 % und die A-GmbH mit einem Anteil von 6 % an der B-GbR beteiligt. Zum Gesellschaftsvermögen der B-GbR gehörten unbebaute sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnende Grundstücke. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.04.2001 kaufte die Klägerin von der A-GmbH und der D-AG alle Anteile an der M-GmbH; ferner kaufte sie von der A-GmbH deren Anteil an der B-GbR. Der Kauf erfolgte gem. Ziff. 2 des Vertrags mit Wirkung zu dem in Ziff. 4 des Vertrags näher bezeichneten "Closing Date" und stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Vereinbarung u.a. durch das Bundeskartellamt freigegeben wird und der vereinbarte Basiskaufpreis gezahlt bzw. sichergestellt ist (Ziff. 4.5 des Vertrags). Diese aufschiebenden Bedingungen sind am 31.05.2001 eingetreten. Durch Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 31.05.2001 traten die A-GmbH und die D-AG die von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile an der M-GmbH an die O-GmbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin, ab; ferner trat die A-GmbH ihren Anteil von 6 % an der B-GbR an die O-GmbH ab.
Das FA sah nach vorangegangener Betriebsprüfung in dem Vertrag vom 26.04.2001 einen grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang und setzte gegen die Klägerin GrESt i.H.v. 512 554 EUR fest. Die Bemessungsgrundlage von 14 644 422 EUR ergab sich aus der Summe der Grundbesitzwerte für die Grundstücke der M-GmbH und der B-GbR. Das FA hatte diese Grundbesitzwerte gem. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 2 und 3 BewG gesondert auf den 31.05.2001 festgestellt; dabei betrug der gesondert festgestellte und in die Bemessungsgrundlage der GrESt einbezogene Grundbesitzwert für zwei der M GmbH gehörende Grundstücke 1 022 EUR bzw. 2 045 EUR. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 15.07.2009, 5 K 683/06, Haufe-Index 2365521, EFG 2010, 1627) wies die Klage ab und führte aus, der Vertrag vom 26.04.2001 sei gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG steuerbar. Aufgrund dieses Vertrags habe die Klägerin und nicht etwa die O-GmbH den Anspruch auf Übertragung der Anteile an der M-GmbH und B-GbR erworben. Bei Abschluss dieses Vertrags sei die Klägerin auch weder als Vertreterin der O-GmbH aufgetreten noch liege insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter vor.
Entscheidung
Der BFH hat zunächst das BMF bereits im Verfahren II R 64/08 durch Beschluss vom 27.05.2009 (II R 64/08, BFH/NV 2009, 1540, BFH/PR 2009, 392) aufgefordert, diesem beizutreten. Zum dortigen Streitfall hatte er mitgeteilt, es gehe um die Frage, ob die in § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnete Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S.d. § 138 BewG als Bemessungsgrundlage der GrESt verfassungsgemäß sei. Das Verfahren II R 64/08 sowie das hiesige Verfahren hat der BFH nun gem. Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem BVerfG die aufgeworfene Vorlagefrage vorgelegt, weil er § 11 GrEStG i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138ff. BewG aus den unter Praxis-Hinweise genannten Gründen für mit dem GG unvereinbar hält.
Hinweis
1. Die GrESt bemisst sich nach der gesetzlichen Grundregel des § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung und wird diese in § 9 GrEStG näher präzisiert. Dadurch soll letztlich die Gegenleistung so umfassend wie möglich erfasst werden. Auf den gemeinen Wert des Grundstücks kommt es bei Vorliegen einer Gegenleistung selbst dann nicht an, wenn der Wert der Gegenleistung außergewöhnlich gering ist und den gemeinen Wert deutlich unterschreitet.
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält § 8 Abs. 2 S. 1 GrEStG, wonach in den dort genannten Fällen der Bedarfswert i.S.d. § 138 Abs. 2 oder 3 BewG anzusetzen ist.
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Mit der im Wesentlichen 1997 eingeführten Bedarfsbewertung anlässlich des einzelnen Steuerfalls hat der Gesetzgeber im Bereich der Grundbesitzbewertung die Konsequenzen aus den beiden zur Erbschaft- und Schenkungsteuer bzw. zur Vermögensteuer ergangenen BVerfG-Beschlüssen vom 22.06.1995 (2 BvL 37/91, Haufe-Index 305002, BStBl II 1995, 655 und 2 BvR 552/91, Haufe-Index 638108, BStBl II 1995, 671) gezogen und galten die §§ 138ff. BewG danach einheitlich sowohl für die GrESt als auch für die Erbschaftsteuer. Aufgrund der Verweisung des § 8 Abs. 2 GrEStG auf § 138 Abs. 2 bis 4 BewG gelten danach differenzierte Bewertungsregelungen, wobei die Grundbesi... |