Leitsatz
1. Die Antragsfrist des § 18 Abs. 9 UStG ist eine Ausschlussfrist, die nur durch einen vollständigen, dem amtlichen Muster in allen Einzelheiten entsprechenden Antrag gewahrt wird, wobei dem Antrag die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen sind.
2. Das Verlangen nach Vorlage der Originalrechnung mit dem Vergütungsantrag kann unverhältnismäßig sein, wenn das Unvermögen des Antragstellers zur fristgerechten Vorlage der Originalrechnung vom Antragsteller nicht zu vertreten ist.
Normenkette
§ 15, § 16, § 18 Abs. 1 bis 4, Abs. 9 UStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG, § 109, § 110 AO, § 96 Abs. 2, Art. 6, Art. 12 EGV, Dreizehnte Richtlinie 86/560/EWG, Art. 3 Achte Richtlinie 79/1072/EWG
Sachverhalt
Die Klägerin beantragte am 23.11.2006 die Vergütung von Vorsteuererträgen nach § 18 Abs. 9 UStG für den Vergütungszeitraum Juli bis September 2006. Am 29.6.2007 reichte die Klägerin für diesen Zeitraum einen weiteren Antrag auf Vorsteuervergütung ein. Mit den Anträgen wurde u.a. eine Rechnungsfotokopie des B eingereicht. Das Bundeszentralamt für Steuern fasste die beiden Anträge zu einem Antrag zusammen und versagte mit Bescheid vom 23.11.2007 die Vorsteuervergütung aus der Rechnung des B vom 13.9.2006 mangels Vorlage der Originalrechnung. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG (FG Köln, Urteil vom 7.6.2013, 2 K 4248/08, Haufe-Index 5532492, EFG 2013, 1892) wies die Klage ab, da die Klägerin die Originalrechnung nicht fristgerecht vorgelegt habe.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Die Rechtsprechung hat die Antragsfrist für das Vergütungsverfahren bereits bisher als Ausschlussfrist angesehen (EuGH, Urteil vom 21.6.2012, C-294/11, Elsacom, BFH/NV 2012, 1404). Fristwahrend ist dabei nur ein vollständiger, dem amtlichen Muster in allen Einzelheiten entsprechenden Antrag. Der BFH versteht dies dahin gehend, dass bereits dem Vergütungsantrag Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beigefügt werden müssen.
2.Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt ein Verzicht auf die (fristgerechte) Vorlage der Originalrechnung nur in Betracht, wenn der Unternehmer das Abhandenkommen der Rechnung oder des Einfuhrdokuments nicht zu vertreten hat. Demgegenüber liegt ein Obliegenheitsverstoß des Unternehmers z.B. dann vor, wenn die verspätete Vorlage der Originalrechnung auf einem vom Unternehmer zu vertretenden Organisationsverschulden beruht. Daher hat der Unternehmer seine Belegverwaltung so zu organisieren, dass ihm ein jederzeitiger Zugriff auf seine Eingangsrechnungen möglich ist.
3. Verfahrensrechtlich ist dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass bei der unverschuldeten Versäumung von Ausschlussfristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 109, 110 AO) zu gewähren sein kann. Dies gilt auch für die verspätete Vorlage von Originalunterlagen, wenn der Unternehmer dies nicht zu vertreten hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.11.2014 – V R 39/13