Leitsatz
1. Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger stellen keine Gewinnausschüttungen i.S. d. § 8 Abs. 3, § 27 KStG 1996/2002 a.F., sondern Gewinnabführungen i.S. d. §§ 14ff. KStG 1996/2002 a.F. dar (Bestätigung des Senatsurteils vom 18.12.2002, I R 51/01, BStBl II 2005, 49, BFH/NV 2003, 572, BFH/PR 2003, 184).
2. Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen i.S. v. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes sind als rein rechnerische Differenzbeträge zu begreifen, nicht als tatsächliche "Abführungen". Sie können daher nicht nur – als "Mehr"-Abführungen – aus einem höheren handelsbilanziellen Jahresüberschuss der Organgesellschaft resultieren, sondern auch aus Fällen sog. Minderverlustübernahmen, in welchen der Organträger infolge eines geringeren handelsbilanziellen Verlustes der Organgesellschaft einen geringeren Verlust ausgleichen musste, als ihm zugerechnet wurde.
3. Indem die so verstandenen Mehrabführungen durch § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes als Gewinnausschüttungen fingiert werden, handelt es sich zugleich um entsprechende Leistungen i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002, für welche die in § 38 Abs. 2 KStG 2002 angeordnete KSt-Erhöhung zu errechnen ist.
4. Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 34 Abs. 9 Nr. 4 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes infolge Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist.
Normenkette
§ 13 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3, § 34 Abs. 9 Nr. 4, § 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KStG 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes, §§ 14ff., § 27 KStG 1996/2002 a.F., Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin, ein ehemals gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, war aufgrund Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags vom 11.7.1990 seit dem 1.1.1991 und auch im Streitjahr 2004 Organgesellschaft ihrer Muttergesellschaft, einer AG.
Nach dem Wegfall der früheren Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1984 durch das StRefG 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093) hatte die Klägerin vor Eintritt in die Steuerpflicht zum 1.1.1991 in der letzten steuerlichen Schlussbilanz zum 31.12.1990 abweichend von der Handelsbilanz ihre Wohnungsbestände gem. § 13 Abs. 2 und 3 KStG 1984 auf die deutlich höheren Teilwerte aufgestockt. Diesen Wertansatz hat die Klägerin in ihrer steuerlichen Anfangsbilanz zum 1.1.1991 übernommen. In der Gliederungsrechnung erfasste sie das hieraus resultierende steuerliche (Mehr-)Eigenkapital als Teilbetrag i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1991 (Alt-EK 02). Aus den Ansatzdifferenzen ergaben sich bis zum streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum höhere Abschreibungen in der Steuerbilanz als in der Handelsbilanz. Der Ergebnisausweis in der Steuerbilanz war demgemäß niedriger als in der Handelsbilanz. Die Abweichungen führten zu einer das steuerbilanzielle Ergebnis übersteigenden Gewinnabführung an die AG.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr nach Abzug der Gewinnabführung an die AG i.H.v. 59.950 EUR ein handelsrechtliches Ergebnis i.H.v. 0 EUR. Nach steuerlichen Korrekturbuchungen ergab sich daraus ein steuerbilanzieller Verlust i.H.v. 625.615 EUR. Außerbilanziell erfolgten darüber hinaus Korrekturen in einem Umfang von 355.353 EUR sowie die Korrektur der Gewinnabführung i.H.v. 59.950 EUR, sodass sich bei der Klägerin ein Einkommen vor Zurechnung zum Organträger i.H.v. ./. 210.312 EUR errechnete. Die steuerlichen Abweichungen betrafen u.a. steuerliche Mehrabschreibungen aufgrund des höheren steuerlichen Wertansatzes der Wohngebäude zum 1.1.1991 i.H.v. 771.701 EUR. Die Klägerin erklärte diesen Betrag in der KSt-Erklärung 2004 als Mehrabführung, die aus Geschäftsvorfällen in vorvertraglicher Zeit resultierten.
Das FA behandelte die vorgenannte Mehrabführung hingegen als Gewinnausschüttung i.S.d. § 14 Abs. 3 KStG 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 9.12.2004 (BGBl I 2004, 3310) und stellte dementsprechend bei der Klägerin die körperschaftsteuerliche Ausschüttungsbelastung gem. § 38 KStG 2002 her. Die daraus resultierende KSt-Erhöhung i.H.v. 330.729 EUR führte im KSt-Bescheid 2004 zu einer Festsetzung von KSt i.H.v. 331.128 EUR. Das FA erließ zudem einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, in dem es bei der Ermittlung des verbleibenden Alt-EK 02 (Stand 1.1.2004: 60.949.078 EUR) die Mehrabführung i.H.v. 771.701 EUR sowie die darauf entfallende KSt-Erhöhung i.H.v. 330.729 EUR (3/7 von 771.701 EUR) abzog (Stand Alt-EK 02 am 31.12.2004: 59.846.648 EUR).
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.3.2011, 6 K 338/07, Haufe-Index 2740110, EFG 2012, 261).
Entscheidung
Der BFH folgte dem FG "in der Sache": Die gesetzliche Neuregelung des § 14 Abs. 3 KStG n.F."restituiere" die vormalige Verwaltungspraxis und stel...