Leitsatz
Die Art. 167, 178 Buchst. a, 220 Nr. 1 und 226 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihn erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien, dann entgegenstehen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen.
Normenkette
Art. 167, 168, 178, 220, 226 MwStSystRL (Art. 17, 18 und 22 der 6. EG-RL)
Sachverhalt
Bei einer Prüfung eines Bauunternehmens (B), das für seine Bauleistung Leistungen eines Subunternehmers (S) bezogen hatte, stellte das FA fest, dass die Daten der Fertigstellung (Nov. 2007) auf den Rechnungen von B an seinen Auftraggeber und von S an B (Dez. 2007) nicht übereinstimmten. Beide erklärten übereinstimmend einen Fehler des S und S erstellte 2008 berichtigte Rechnungen. Diese wollte das FA nicht berücksichtigen, weil die Nummerierung nicht fortlaufend sei.
Entscheidung
Der EuGH betonte, dass die zur 6. EG-RL ergangenen Entscheidungen auch für die MwStSystRL maßgebend sind. Das Argument der Nummerierungsreihenfolge hielt der EuGH unter den Umständen des konkreten Sachverhalts nicht für wesentlich. Die Grundsätze im Übrigen ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft den Vorsteuerabzug bei Rechnungsmängeln und ist daher von erheblicher Tragweite:
Die Regelungen zu den Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in der 6. EG-RL und der MwStSystRL entsprechen sich: Danach setzt der Vorsteuerabzug eine steuerpflichtige Leistung und eine darüber erteilte Rechnung voraus. Diese muss "die in Art. 226 MwStSystRL (zuvor Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL) genannten Voraussetzungen" erfüllen. Dies sind u.a. das Ausstellungsdatum, eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird, die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, unter der der Steuerpflichtige die Gegenstände geliefert oder die Dienstleistung erbracht hat, die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers, der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und Leistungsempfängers, Menge und Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen, das Datum des Leistungszeitpunkts. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 273 MwStSystRL weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, diese dürfen aber nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen.
In einem Verfahren in Ungarn war streitig, ob kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn die Rechnung über die dem Steuerpflichtigen gelieferten Gegenstände oder die ihm erbrachten Dienstleistungen ursprünglich eine falsche Angabe enthielt und deren spätere Berichtigung nicht alle in den anwendbaren nationalen Vorschriften enthaltenen zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt. Wichtig ist die Entscheidung wegen der zeitlichen Wirkung der Berichtigung.
Nach der Entscheidung Terra-Baubedarf (EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-152/02, Terra Baubedarf, BFH/NV Beilage 2004, 229, BFH/PR 2004, 277) ist das "Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben, in dem die beiden in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 der 6. EG-RL erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass eine Lieferung oder Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann". Nach allgemeiner Meinung wirkte danach die Berichtigung der Rechnung nicht zurück, denn das Vorabentscheidungsersuchen des BFH (Terra-Baubedarf) betraf die Frage, zu welchem Zeitpunkt die – erst im folgenden Besteuerungszeitraum erteilte – Rechnung zu berücksichtigen ist.
Die vorliegende Entscheidung des EuGH, die eine fehlerhafte Rechnung im Jahr 2007, die im Jahr 2008 berichtigt wurde, betrifft, geht von einer Rückwirkung der Berichtigung aus, wenn dem FA die berichtigte Rechnung "bis zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung" über d...