Leitsatz
1. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15 UStG gilt als (vorsteuerabzugsberechtigter) Unternehmer bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt.
Zu prüfen ist, ob die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende unternehmerische Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird. Insoweit ist jeweils der Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs maßgeblich, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (vgl. Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG).
2. Wird bereits während der Bauphase eines Gebäudes anstelle der zunächst beabsichtigten steuerpflichtigen eine steuerfreie Vermietung angestrebt, kann dies gegen die Möglichkeit des Abzugs der Steuer auf die nach Absichtsänderung bezogenen Bauleistungen als Vorsteuer jedenfalls dann sprechen, wenn diese geänderte Absicht anschließend realisiert wird.
Wird dagegen später eine steuerfreie Veräußerung des Mietgebäudes angestrebt (und durchgeführt), ergibt sich daraus kein (beabsichtigter) Verwendungsumsatz i.S.v. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn eine Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a UStG 1991/1993 , § 4 Nrn. 9 und 12 UStG 1991/1993 , § 15 UStG 1991/1993 , § 15a UStG 1991/1993 , Art. 5 Abs. 8 Richtlinie 77/388/EWG , Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 77/388/EWG , Art. 17, Art. 20 Richtlinie 77/388/EWG
Sachverhalt
Die Klägerin ist zu dem Zweck (1992) gegründet worden, ein bestimmtes Grundstück zu kaufen, zu bebauen und zu vermieten. Die Klägerin bemühte sich, das ein Jahr später (1993) fertig gestellte Bürogebäude an gewerbliche Mieter zu vermieten. Nachdem sie auch keine teilweise Vermietung erreichte, veräußerte sie weitere 2½ Jahre später (Juli 1996) das gesamte Grundstück steuerfrei.
Entscheidung
Unter Bezugnahme auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung hat der BFH den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Eingangsleistung 1993 gewährt. Die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens brauche die Klägerin nicht abzuwarten.
Entscheidend für den (endgültigen) Vorsteuerabzug sei allerdings die in gutem Glauben abgegebene Absicht, die durch objektive Anhaltspunkte belegt werden müsse, Ausgangsumsätze ausführen zu wollen, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Wegen der tatsächlich aber steuerfreien Veräußerung sei noch klärungsbedürftig, ob die zunächst vorhandene Absicht, steuerpflichtige Ausgangsumsätze tätigen zu wollen, nicht durch eine andere Absicht, nämlich steuerfrei veräußern zu wollen, überlagert worden sei.
Wenn eine solche geänderte Absicht – bei den Leistungsbezügen – vorgelegen habe, müsse dann aber geprüft werden, ob eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliege. In diesem Fall müsste ebenfalls ein Ausschlusstatbestand gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausscheiden.
Hinweis
Der EuGH hat in der Vergangenheit stets darauf hingewiesen, dass unter Beachtung von Art. 17 der 6. EG-RL der Vorsteuerabzug endgültig im Zeitpunkt des Leistungsbezugs, also der Eingangsleistung, zu gewähren ist. Sollte zu diesem Zeitpunkt eine Verwendung dieser Eingangsleistung für Ausgangsleistungen noch nicht feststehen, so ist auf die Absicht abzustellen. Spätere Abweichungen in der tatsächlichen Nutzung führen alleine zu einer Vorsteuerberichtigung.
Konsequenterweise hat der BFH unter Beachtung dieser EuGH-Vorgaben nunmehr erstmals klar und unmissverständlich den Vorsteuerabzug endgültig im Zeitpunkt der Eingangsleistung gewährt. Soweit der Unternehmer in diesem Moment noch keine Ausgangsumsätze tätigt, ist seine Absicht entscheidend. Die Absicht muss nur im guten Glauben – also nicht missbräuchlich – abgegeben worden und durch objektive Anhaltspunkte belegt sein.
Gerade hier offenbart sich aber die Schwäche der EuGH-Rechtsprechung:
Wie ist die Absicht zu bewerten, wenn tatsächlich ein anderer Ausgangsumsatz – im vorliegenden Fall statt der beabsichtigten steuerpflichtigen Vermietung eine steuerfreie Veräußerung – ausgeführt worden ist? Der BFH hat dem erstinstanzlichen Gericht insoweit die Sachverhaltsaufklärung überantwortet, inwieweit der später tatsächlich ausgeführte Umsatz bereits – geändert – beabsichtigt war. Ob dieser geändert beabsichtigte Umsatz dann aber ein Ausschlussumsatz gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG darstellen kann, hängt konsequenterweise von der weitergehenden Frage ab, ob eventuell die Veräußerung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt.
Jedenfalls hat der BFH nunmehr klargestellt, dass entgegen Abschnitt 148 Abs. 5 i.V.m. Abschnitt 203 Abs. 3 UStR 2000 die Absicht, nach Option steuerpflichtige Verwendungsumsätze ausführen zu wollen, ausreicht. Die tatsächliche Ausführung des Verwendungsumsatzes ist für die Option unbeachtlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.3.2001, V R 24/98