Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Ein Unternehmer kann den Vorsteuerabzug aus ihm gegenüber erbrachten Umzugskosten nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vornehmen. Soweit ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG ausgeschlossen wäre, kann der Unternehmer sich auf die für ihn günstigere Regelung des Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 der 6. EG-RL berufen.
Sachverhalt
Die Unternehmerin betrieb eine Nachrichtenagentur. Bedingt durch Umstrukturierungsmaßnahmen sowie aus allgemeinen unternehmerischen Gründen ließ die Unternehmerin ihre Redakteure eine Rotationstätigkeit ausüben. Die dabei anfallenden Umzugskosten wurden von der Unternehmerin getragen. Aus den auf die Unternehmerin ausgestellten Rechnungen nahm sie den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG vor.
Die Finanzverwaltung versagte der Unternehmerin den Vorsteuerabzug aus den von ihr getragenen Umzugskosten wegen § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG.
Entscheidung
Das FG gab der Klage der Unternehmerin statt. Das FG stellt dazu fest, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugs entgegen der gesetzlichen Vorschrift des § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG nicht greift, da die Norm mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist. Nach Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 der 6. EG-RL steht dem Unternehmer der volle Vorsteuerabzug zu, da sich aus dem Gemeinschaftsrecht keine entsprechende Vorsteuerabzugsbeschränkung ergibt, soweit die Leistung für das Unternehmen bezogen wurde.
Die Unternehmerin hat in eigenem Namen Umzugsleistungen für ihr Unternehmen von einem anderen Unternehmer bezogen und verfügte über auf ihren Namen ausgestellte Rechnungen. Damit waren die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG erfüllt. Die Unternehmerin blieb auch Leistungsempfängerin der Umzugsleistungen, selbst wenn sie die Umzugsmöglichkeit tatsächlich ihren Mitarbeitern einräumte. Die Leistung wurde auch für das Unternehmen bezogen, da hier ein hinreichender unternehmerischer Grund für die Umzüge vorlag. Einen allgemeinen Grundsatz, dass sich bei Umzugskosten sowohl unternehmerische wie auch private Interessen überschneiden würden und dass damit der Vorsteuerabzug ausgeschlossen sein müsste, sah das Gericht nicht, vielmehr müssen die unterschiedlichen Interessen in jeden Einzelfall abgewogen werden.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zugelassen.
Hinweis
Die Regelung des § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG stand bisher nicht im Mittelpunkt der Kritik, im Einzelfall waren aber Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht geäußert worden. Die Argumentation des FG überzeugt. Allgemeine Erfahrungssätze, dass sich bei Umzugskosten immer unternehmerische und private Interessen überschneiden würden, kann es nicht gegeben. Damit muss in jedem Einzelfall abgewogen werden, ob ein Leistungsbezug für das Unternehmen vorliegt; soweit die Hürde des § 15 Abs. 1 UStG genommen wird, kann ein Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG ausgeschlossen werden.
Mittlerweile haben auch Gesetzgeber und Finanzverwaltung reagiert: § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG wird zum 1.1.2007 im Zuge der Überarbeitung des § 15 Abs. 1a UStG aus dem Gesetz gestrichen. Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 18.7.2006 (IV A 5 - S 7303a - 7/06, BStBl 2006 I S. 450) im Vorgriff auf die gesetzliche Anpassung angeordnet, dass die Beschränkung der Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG ab sofort nicht mehr anzuwenden ist, da der Unternehmer sich auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann.
Zu beachten ist aber, dass der Unternehmer nicht aus allen Umzugskosten den Vorsteuerabzug vornehmen kann. Es müssen für den Vorsteuerabzug die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG vorliegen, insbesondere muss die Leistung für das Unternehmen bezogen sein. Es müssen also vor allem unternehmerische Gründe vorliegen, damit der Unternehmer eine solche Leistung seinem Unternehmen zuordnen kann.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 04.04.2006, III 105/05