Sachverhalt
Bei dem polnischen Verfahren ging es um die Auslegung von Art. 9 und 168 Buchst. a sowie der Art. 178 Buchst. a und 226 Nr. 5 MwStSystRL im Hinblick auf den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesellschaft. Streitig war die Berechtigung eines Personenverbundes von zukünftigen OHG-Personengesellschaftern zum Vorsteuerabzug, der vor der formellen Eintragung der OHG in das Handelsregister der Gesellschaft dienende Investitionsausgaben getätigt hat.
Die Klägerin ist eine Handelsgesellschaft. Ihre Gesellschafter A und B erwarben ein Grundstück mit Gesteinsvorkommen. Hierüber stellte der Veräußerer eine Rechnung mit Datum vom 22.12.2006 aus. In der Rechnung wurden als Erwerber die beiden Gesellschafter genannt. Erst nach diesem Immobilienerwerb wurde der Gesellschaftsvertrag geschlossen. Für dessen Beurkundung stellte der Notar mit Datum vom 26.4.2007 auf den Namen der Gesellschaft aus. Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgte am 5.6.2007. Die Gesellschaft machte sowohl für den Erwerb des Grundstücks als auch für die Notariatskosten den Vorsteuerabzug geltend. Die polnische Finanzbehörde versagte den Vorsteuerabzug. Das Grundstück sei von den Gesellschaftern, nicht aber von der Gesellschaft erworben worden. Die Rechnung für die notarielle Beurkundung sei auf einen nichtexistenten Rechtsträger ausgestellt worden, da die Gesellschaft erst nach der Rechnungsausstellung im Handelsregister eingetragen wurde.
Nach Auffassung des Vorlagegerichts hing die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob es sich in mehrwertsteuerlicher Hinsicht bei den Gesellschaftern A und B, die in den Rechnungen als Empfänger der Leistungen ausgewiesen sind, um denselben Rechtsträger handelt, wie die Gesellschaft, die den Vorsteuerabzug begehrt.
Entscheidung
Der EuGH hat mit Bezug auf sein Urteil v. 29.4.2004, C-137/02 (Faxworld) entschieden, dass eine OHG, deren Gesellschafter Investitionen (hier der Erwerb eines Grundstücks) vor Eintragung der OHG ins Handelsregister bzw. vor der umsatzsteuerlichen Registrierung der OHG für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit der OGH getätigt haben, für diese Investitionen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Weiter hat der EuGH entschieden, dass in einem solchen Fall bereits dem Personenverbund der Gesellschafter selbst der Vorsteuerabzug zustehen kann. Wenn der Personenverbund vor Eintragung und mehrwertsteuerlicher Erfassung ihrer Gesellschaft Investitionen getätigt hat, die für die künftige Nutzung durch die Gesellschaft erforderlich sind, ist er als Unternehmer anzusehen und daher grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Vorsteuerabzugsberechtigung der Gesellschaft bzw. des Personenverbunds gilt auch dann, wenn die Einbringung des Grundstücks in die OHG (wie im Ausgangsverfahren nach nationalem Recht) ein steuerfreier Vorgang ist. Der EuGH räumt zwar ein, dass der Ausgangsfall sich von dem in der Rs. C-137/02 unterschied, weil es dort um Vorbezüge einer Vorgründungsgesellschaft einer späteren AG und die Investitionen im Zuge einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auf die AG übertragen wurden. Der EuGH geht aber - mit Bezug auf die Schlussanträge des Generalanwalts - offensichtlich von einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit des vorliegenden Falles mit der Sache Faxworld aus.
Die Frage, ob es für den Vorsteuerabzug schädlich ist, wenn die Rechnung für einen Bezug der OHG auf die Namen der Gesellschafter (und nicht auf den Namen der späteren OHG) ausgestellt ist, hat der EuGH verneint. Danach ist die Verletzung der formalen Pflicht, nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL auf der Rechnung den vollständigen Namen und die Anschrift des Leistungsempfängers anzugeben, nicht hinderlich für den Vorsteuerabzug, wenn die Investition von den Gesellschaftern für die Gesellschaft getätigt wird und zwischen den Gesellschaftern und der späteren OGH Personenidentität herrscht. Eine Versagung des Vorsteuerabzugs in diesem Fall wäre nach der EuGH-Entscheidung unverhältnismäßig.
Hinweis
Der entschiedene Sachverhalt war aus der Sicht des deutschen Rechts vergleichbar mit dem des EuGH-Urteil v. 29.4.2004, C-137/02 (Faxworld), sofern im Vorfeld bereits eine GbR bestand, die im Hinblick auf die Umwandlung zur OHG bereits Leistungen für die oHG bezogen hat. In dem EuGH-Urteil in der Sache C-137/02 ging es um die Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug einer Vorgründungsgesellschaft, die ihre Investitionen auf die spätere AG überträgt. Nach der Entscheidung ist die Vorgründungsgesellschaft als Unternehmer anzusehen, weil sie Gegenstände für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat. Abzugrenzen sind dabei allerdings die Fälle einer Personengesellschaft, z.B. einer OHG, in denen kein Rechtsträgerwechsel erfolgt, sondern von den späteren OHG-Gesellschaftern vor Gründung der OHG erworbene Gegenstände (z.B. ein Grundstück) in die OHG eingelegt werden. Eine solche Sacheinlage berechtigt die OG nach bisheriger deutscher Rechtslage nicht zum Vorsteuerabzug. Der EuGH hat jedoch mit ...