Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Das Niedersächsische FG hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die für die Praxis sehr wichtige Frage vorgelegt, ob - und ggfs. unter welchen Bedingungen - einer Rechnungsberichtigung Rückwirkung für den Vorsteuerabzug zukommt. Im Streitfall war die Steuernummer des Leistenden nachträglich ergänzt worden.
Sachverhalt
Dem klagenden Textilgroßhändler versagte das Finanzamt bei einer Außenprüfung in 2013 für 2008 bis 2011 den Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften der Klägerin an ihre Handelsvertreter. Des Weiteren erfolgte wg. der Rückforderung der Vorsteuer eine Verzinsung nach § 233a AO. Die Provisionsabrechnung wie auch deren Anlagen enthalten weder die Steuernummer noch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummerdes leistenden Handelsvertreters (Gutschriftempfänger). Es werde auch auf kein anderes Dokument verwiesen, aus dem sich die vorgenannten Angaben entnehmen lassen. Die Klägerin berichtigte daraufhin die Gutschriften für 2009 bis 2011 noch während der Außenprüfung im Mai 2013.
Lt. Finanzverwaltung ist der Vorsteuerabzug bei Rechnungsberichtigungen - trotz EuGH-Urteile Rs. Pannon Gép (Rs. C-271/12) und Petroma Transports (Rs. C-271/12) - erst im Zeitpunkt der Berichtigung und Übermittlung an den Rechnungsempfänger zulässig.
Entscheidung
Das Niedersächsische FG neigt dazu, einer Rechnungsberichtigung unter bestimmten Umständen Rückwirkung zuzuerkennen. Da dies jedoch nicht zwingend und eindeutig ist, hat das Finanzgericht dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Lässt der EuGH entgegen seinem Urteil Rs. "Terra Baubedarf-Handel" (Urteil v. 9.4.2004, C-152/02) in einem solchen Fall wie hier eine Rückwirkung zu?
- Welche Mindestanforderungen sind ggf. an eine der Rückwirkung zugängliche berichtigungsfähige Rechnung zu stellen? Muss die ursprüngliche Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten oder kann diese später ergänzt werden mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung erhalten bleibt?
- Ist die Rechnungsberichtigung ggf. noch rechtzeitig, wenn sie erst im Rahmen einesEinspruchsverfahrens erfolgt, das sich gegen die abschließende Entscheidung (Änderungsbescheid) der Finanzbehörde richtet?
Hinweis
Nach dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 23.10.2014 (Az. 5 K 140/14) ist eine rückwirkende Rechnungskorrektur jedenfalls dann nicht möglich, wenn in der erstmals ausgestellten Rechnung der Leistende, der Leistungsempfänger, die Leistungsbeschreibung und das Entgelt mit ausgewiesener Umsatzsteuer nicht oder unzutreffend angegeben ist. Dagegen ist nach Auffassung des FG Hamburg (Beschluss v.20.10.2014, 2 V 214/14) eine Rückwirkung zulässig, wenn in der ursprünglichen Rechnung der Leistungsgegenstand grob umrissen war und nachträglich nur auf erläuternde Dokument (Bauvertrag, Angebot, Leistungsbeschreibung des Architekten) verwiesen wird.
Der BFH hat sich zu der Problematik bisher nicht eindeutig geäußert. Mit Urteil v. 19.6.13, XI R 41/10 hat er nur klargestellt, dass einer Erstrechnung keine Rückwirkung zukommt. Klärung in dieser für die Praxis so wichtigen Frage wird daher letztlich erst der EuGH bringen. Bis dahin empfiehlt es sich in derartigen Fällen Einspruch einzulegen und bis zur Entscheidung des EuGH das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Beschluss vom 03.07.2014, 5 K 40/14