Leitsatz
1. Hat eine GmbH in den Jahren 1998 bis 2000 auf ihrem Betriebsgrundstück ein Gebäude errichtet, das sie teilweise unternehmerisch nutzt und teilweise ihren Gesellschafter-Geschäftsführern unentgeltlich für deren private Wohnzwecke überlässt, kann der GmbH ein Vorsteuerabzugsrecht aus den Bauerrichtungskosten zustehen.
2. Die Vereinbarung einer Nutzungsüberlassung von Wohnraum im Rahmen eines Mietvertrags oder eines Anstellungsvertrags gilt dagegen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig als steuerfreie Vermietung und schließt den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Bauerrichtungskosten aus.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b, § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993, Art. 6 Abs. 2 Buchst. a, Art. 13 Teil B Buchst. b, Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie errichtete auf einem von ihr im Jahr 1997 erworbenen Grundstück u.a. ein Wohnhaus für die privaten Wohnzwecke ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer. Während sie ursprünglich für das Streitjahr 1998 nur geringe Vorsteuern aus den Herstellungskosten des Gebäudes geltend gemacht hatte, beantragte sie unter Hinweis auf eine teilweise betriebliche Nutzung des Gebäudes im September 2000 den Vorsteuerabzug aus allen im Streitjahr 1998 angefallenen Herstellungskosten. Das FA erkannte überhaupt keine Vorsteuern mehr an, nachdem die Klägerin bei einer Betriebsprüfung eine vom Prüfer gewünschte Besichtigung des Hauses nicht gestattet hatte.
Das FG Baden-Württemberg gab der Klage statt. Es war der Ansicht, einer Zuordnungsentscheidung habe es nicht bedurft, weil die Klägerin als juristische Person nur unternehmerisches Vermögen habe und eine umsatzsteuerfreie Vermietung weder beabsichtigt noch später realisiert worden sei. Die Verwendung einer der GmbH gehörenden Wohnung für den privaten Bedarf der Geschäftsführer erfülle nicht die Voraussetzungen einer Vermietung (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.2007, 1 K 37/05, Haufe-Index 1986020, EFG 2008, 903).
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision des FA die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Er teilte aus den Gründen, die sich aus den Praxis-Hinweisen ergeben, nicht die Rechtsauffassung des FG, dass die Überlassung von Räumen durch eine GmbH an ihre Geschäftsführer zu deren privaten Wohnzwecken im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses keine steuerfreie Vermietung sei. Er hielt die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG jedoch nicht für ausreichend, um selbst zu entscheiden, welche Nutzung die GmbH im Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigt hatte.
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat ein Unternehmer, der ein Gebäude, das er teils zu unternehmerischen Zwecken und teils zu seinen privaten Wohnzwecken nutzen will, die Wahl, ob er das gesamte Gebäude entweder seinem unternehmerischen oder seinem privaten Bereich oder ob er nur den unternehmerischen Teil seinem Unternehmen zuordnen will (EuGH, Urteil vom 08.05.2003, C-269/00 – Seeling –, BFH/NV 2003, Beilage 3, 157).
Ordnet er das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu, steht ihm aus den Herstellungs- oder Anschaffungskosten des Gebäudes gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG der vollständige Vorsteuerabzug zu. Denn die Nutzung von Räumen durch den Unternehmer zu seinen eigenen Wohnzwecken ist keine steuerfreie Vermietung und einer solchen auch nicht gleichzustellen, weil es an der Zahlung eines Mietzinses und der Vereinbarung eines Nutzungsrechts fehlt (Rz. 51 des Urteils "Seeling"). Deshalb ist der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.
2. Nach dem EuGH-Urteil vom 12.02.2009, C-515/07 – VNLTO – (BFH/NV 2009, 682, BFH/PR 2009, 185) kann das Zuordnungswahlrecht bei einer gemischten Verwendung eines Gegenstands nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für eine juristische Person des Privatrechts bestehen.
Abweichend von dem bisher in Deutschland verbreiteten Verständnis ist nach diesem Urteil aber nicht bereits jede teilweise Verwendung eines Gegenstands für nicht wirtschaftliche (in der deutschen Terminologie: nicht unternehmerische) Zwecke einer Verwendung für private Zwecke des Unternehmers gleichzustellen. Der EuGH hat bei der VNLTO, deren Mitglieder im Agrarsektor tätige Unternehmen sind, die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder zwar als nicht wirtschaftlich, aber nicht als "unternehmensfremd" betrachtet, da die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder der Hauptzweck der Vereinigung ist (vgl. Rz. 39 des Urteils "VNLTO").
3. Während der Einzelunternehmer das teilweise zu seinen eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude nicht an sich selbst vermieten kann, ist dies im Verhältnis zwischen einer GmbH und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern anders. Eine GmbH kann ihren Gesellschafter-Geschäftsführern ein Gebäude
- durch einen Mietvertrag,
- im Rahmen des Anstellungsvertrags entgeltlich als Sachbezug oder
- in ihrer Eigenschaft als Anteilseigner unentgeltlich
überlassen.
Was im jeweiligen Fall gewollt ist, ist anhan...