Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
1. Bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes kann für den Vorsteuerabzug – im Gegensatz zu den Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung – nicht darauf abgestellt werden, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es insoweit auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an.
2. Bei der Herstellung eines solchen Gebäudes ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig eine sachgerechte und "präzisere" Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel.
3. Die Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch den am 1.1.2004 in Kraft getretenen § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG kann eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 UStG bewirken.
4. Einer entsprechenden Vorsteuerberichtigung stehen weder die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes entgegen noch liegt darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Vorjahre.
Normenkette
Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3, Art. 19 Abs. 1, Art. 20 6. EG-RL (= RL 388/77/EWG), § 15 Abs. 4, § 15a UStG
Sachverhalt
1. In der Sache ging es zum einen um die Höhe des Vorsteuerabzugs im Jahr 2004 aus Baukosten sowie auslaufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführte.
Da in diesen Fällen der Vorsteuerabzug nur zulässig ist, soweit die von einem Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen (hier Baumaterial, Handwerkerleistungen etc.) für steuerpflichtige Ausgangsumsätze (hier: Vermietungsumsätze) verwendet werden, müssen die insgesamt angefallenen Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden. Seit der Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit Wirkung vom 1.1.2004 ist dabei eine Aufteilung nach dem Verhältnis der (voraussichtlichen) steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (sog. "Umsatzschlüssel") nur noch nachrangig zulässig.
Die Klägerin ermittelte die abziehbaren Vorsteuern für das Streitjahr 2004 – wie in den Vorjahren – nach dem Umsatzschlüssel. Das FA legte dagegen der Vorsteueraufteilung den (für die Klägerin ungünstigeren) Flächenschlüssel zugrunde.
2. Ferner verlangte das FA im Wege der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG wegen Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse einen Teil der in den vergangenen Jahren (seit Beginn der Baumaßnahme 1999) anerkannten Vorsteuerbeträge von der Klägerin zurück, weil auch insoweit nunmehr der Flächenschlüssel gelte.
3. Das FG gab der Klage teilweise statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 11.9.2009, 1 K 996/07 U, Haufe-Index 2259860, EFG 2010, 178).
Entscheidung
1. Der BFH hat im Anschluss an das Urteil des bezeichneten EuGH-Urteils entschieden, dass bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes – im Gegensatz zu den laufenden Aufwendungen – für die Aufteilung der Vorsteuer nicht darauf abgestellt werden kann, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es insoweit auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an.
a) Bei der Vorsteueraufteilung ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig – d.h. wenn die verschiedenen Zwecken dienenden Flächen miteinander vergleichbar sind – eine sachgerechte und "präzisere" Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel.
Ob die Vergleichbarkeit der Flächen im Streitfall gegeben ist, hat nunmehr das FG als Tatsacheninstanz im zweiten Rechtsgang festzustellen.
b) Führt die Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug unter Anwendung des Flächenschlüssels zu keinem präziseren Ergebnis, gilt der objektbezogene Umsatzschlüssel, wenn die Vorsteuerbeträge den Gegenstand selbst betreffen und ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu den Ausgangsumsätzen durch Verwendung (Nutzung) dieses Gebäudes besteht (z.B. durch Vermietung). Wird das Gebäude dagegen für Umsätze des gesamten Unternehmens verwendet (wie z.B. ein Verwaltungsgebäude), sind die Vorsteuerbeträge nach dem gesamtumsatzbezogenen Umsatzschlüssel aufzuteilen.
2. Der BFH ist ferner im Anschluss an das o.g. EuGH-Urteil zu dem Ergebnis gelangt, dass die Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 UStG bewirken kann. Das FG und die Kommission hatten dies verneint.
Einer entsprechenden Vorsteuerberichtigung stehen weder die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes entgegen noch liegt darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Vorjahre. Die Kommission und der Generalanwalt waren im Vorlageverfahren vor dem EuGH anderer Ansicht gewesen.
Hinweis
Dies ist die Nachfolgeentscheidung zu dem auf Vorlage des XI. Senats des BFH ergangene...