Leitsatz
1. Wird eine Lieferung, für die der Vorsteuerabzug in Anspruch genommen worden ist, rückgängig gemacht und dadurch die Berichtigungspflicht des Unternehmers nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 3 UStG 1999 ausgelöst, bewirkt die vom FA in einem nachfolgenden Voranmeldungszeitraum vollzogene Berichtigung die (Teil-)Erledigung der vorangegangenen (negativen) USt-Festsetzung "auf andere Weise" i.S.d. § 124 AO. War ein Vergütungsanspruch aus dieser Festsetzung abgetreten, so entsteht der Rückforderungsanspruch des Fiskus aus § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Zessionar im Umfang der ursprünglich zu hoch ausgezahlten Steuervergütung (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
2. Die Feststellung einer vom FA angemeldeten, einen früheren Vorsteuerabzug berichtigenden USt zur Insolvenztabelle hat die gleiche Wirkung wie ein inhaltsgleicher Berichtigungsbescheid i.S.d. § 17 UStG 1999. Ein Zessionar als Rechtsnachfolger im Zahlungsanspruch aus dem ursprünglichen Vorauszahlungsbescheid und Leistungsempfänger ist einem Rückforderungsanspruch in beiden Fällen gleichermaßen ausgesetzt (Fortentwicklung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 37 Abs. 2, § 124 Abs. 2, § 164, § 171 Abs. 13, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 218 Abs. 1 AO, § 178 Abs. 3 InsO, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 S. 3, § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1999
Sachverhalt
Zur Erfüllung von Ansprüchen aus einem Kaufvertrag war der negative USt-Anspruch eines Unternehmens, der sich aus der Vorsteuer aus jenem Vertrag ergab, abgetreten worden. Das FA zahlte den Betrag an den Zessionar aus.
Als über das Vermögen des Zedenten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Kaufvertrag vom Zessionar aufgelöst worden war, forderte das FA von diesem die vergütete USt zurück, nachdem von ihm ein entsprechender Betrag angemeldet und dieser zur Insolvenztabelle festgestellt worden war. Der dagegen gerichteten Klage gab das FG statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.09.2007, 6 K 5154/04 B, Haufe-Index 1828469, EFG 2008, 102).
Entscheidung
Der Rückforderungsanspruch besteht gegenüber dem Zessionar. Dieser muss die Feststellung des Anspruchs in dem Insolvenzverfahren des Zedenten gegen sich gelten lassen.
Hinweis
Ist eine Steuerforderung zur Insolvenztabelle festgestellt worden, hat dies die gleichen Rechtswirkungen wie ein entsprechender Steuerbescheid, der bekanntlich im Insolvenzverfahren nicht erlassen werden darf. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle stellt also das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar (§§ 87, 178 Abs. 3 InsO). Das gilt selbstredend auch für die Berichtigung von Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 UStG; die Eintragung der angemeldeten USt-Forderung in die Insolvenztabelle hat die gleiche Wirkung wie ein auf § 17 UStG gestützter USt-Bescheid.
So klar und eindeutig dies ist, so zweifelhaft ist, ob der aus einer solchen Feststellung resultierende Anspruch nur als Insolvenzforderung durchgesetzt werden kann oder ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen er sich (zumindest auch) gegen denjenigen richtet, an den (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) der dem Berichtigungsanspruch nach § 17 UStG korrespondierende Vorsteuervergütungsanspruch abgetreten worden ist (genau formuliert: ein negativer USt-Anspruch, in welchen die Vorsteuer eingegangen war, die jetzt berichtigt worden ist).
USt-rechtlich wäre das schwer nachzuvollziehen: denn der Anspruch nach § 17 UStG (genauer: die USt-Festsetzung, bei der die Vorsteuerberichtigung gem. § 17 UStG vorzunehmen ist und die ggf. in einen Anspruch des FA mündet) ist ein regelmäßig in einem anderen Veranlagungszeitraum entstehender selbstständiger Anspruch gegen den Unternehmer (Zedenten), ohne dass aus der Abtretung der dabei korrigierten Vorsteuer ein Schuldbeitritt des Zessionars im Hinblick auf diesen (späteren) Anspruch des FA hergeleitet werden könnte. Gäbe es § 17 UStG nicht, müsste die Vorsteuerkorrektur allerdings mithilfe des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO und der Folge durchgeführt werden, dass der Zessionar erstattungspflichtig würde. Aber § 17 UStG verdrängt als Spezialregelung gerade § 175 AO und wählt für die Vorsteuerkorrektur einen grundsätzlich anderen Weg.
Es war zu erwarten, dass der VII. Senat die Frage nach der Erstattungspflicht des Zessionars gleichwohl bejahen würde, wie er es bereits in seinem Urteil vom 09.04.2002, VII R 108/00, BFH/PR 2002, 390, BFH/NV 2002, 1205 getan hatte. Die Kritik des USt-Senats an dieser umsatzsteuerrechtlich in der Tat fragwürdigen Beurteilung (BFH, Beschluss vom 13.07.2006, V B 70/06, BFH/PR 2006, 499, BFH/NV 2006, 2008) hat ihn also von seinem Kurs nicht abgebracht. Die Rechtfertigung für dieses Ausbrechen aus der umsatzsteuerrechtlichen Dogmatik leitet der VII. Senat daraus ab, dass sonst "allein aufgrund der rechtstechnischen Konstruktion … ein nicht zu rechtfertigendes Ungleichgewicht zwischen USt und Vorsteuerabzug" entstehe, wenn der zunächst zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer durch Nichtzahlung des Ber...