OFD Niedersachsen, Verfügung v. 17.2.2010, S 2130 - 30 - St 222/St 221
Der BFH hat mit dem Urteil vom 19.3.2009, IV R 57/07 (BStBl 2009 II S. 659) entschieden, dass das Recht zur Wahl einer Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung erst mit der Erstellung eines Abschlusses und nicht bereits mit der Einrichtung einer Buchführung oder der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz entfällt. Nach dieser Rechtslage haben nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige, die auch freiwillig keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, das Recht, zwischen der Gewinnerzielung nach § 4 Abs. 1 EStG und der Einnahme-Überschussrechnung zu wählen. Beide Gewinnermittlungsmethoden sind nach der Rechtsprechung des BFH gleichwertig. Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung, vgl. dazu BFH-Urteil vom 9.11.2000, IV R 18/00 (BStBl 2001 II S. 102).
Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform hat nur Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat. In diesem Fall bleibt es bei der Grundform des § 4 Abs. 1 EStG, also bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (vgl. dazu u.a. BFH vom 17.10.1989, III R 30-31/89 (BStBl 1990 II S. 287, m.w.H.). Derjenige, der keinen Gewinn ermitteln will (z.B. bei nachträglich festgestelltem Grundstückshandel oder einer nachträglich festgestellten Betriebsaufspaltung), hat keine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen. Der BFH hält an dieser Rechtsprechung ausdrücklich fest. Soweit es an dem Willen fehlt, Gewinn zu ermitteln, ist eine Wahl zwischen verschiedenen Gewinnermittlungsarten nicht denkbar.
Die Einnahme-Überschussrechnung findet nur Anwendung, wenn diese Gewinnermittlungsart bewusst gewählt wird und die Minimalanforderungen an eine Einnahme-Überschussrechnung erfüllt sind. Schon das Erstellen und Sammeln der Einnahmen- und Ausgabenbelege reicht aus, denn diese Belege können bei Erfüllung nur geringer zusätzlicher Voraussetzungen (insbesondere bei vollständiger und zeitlich fortlaufender Ablage, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung) die Funktion von Grundaufzeichnungen übernehmen. Ebenso reicht es aus, wenn z.B. ein gewerblich tätiger Steuerpflichtiger Aufzeichnungen nach § 22 UStG führt. § 22 UStG wirkt auch für die Einkommensteuer (vgl. dazu BFH vom 15.4.1999, IV R 68/98 (BStBl 1999 II S. 481).
Bei Vorliegen der Voraussetzungen steht das Wahlrecht zwischen beiden Gewinnermittlungsarten nichtbuchführungspflichtigen Steuerpflichtigen prinzipiell unbefristet zu. Formal wird das Wahlrecht allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Steuerpflichtige die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten stets solange treffen darf, wie sich ihr Ergebnis steuerlich auswirken kann. So kommt die Wahl der Überschussrechnung nach Erstellung des Abschlusses nicht mehr in Betracht. Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet hat, vgl. dazu BFH vom 19.10.2005, XI R 4/04 (BStBl 2006 II S. 509). Die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten kann außerdem durch die Bindung des Steuerpflichtigen an eine für ein vorangegangenes Wirtschaftsjahr bereits getroffene Wahl ausgeschlossen sein.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass der Steuerpflichtige die einmal getroffene Wahl nicht jährlich neu ausüben muss. Vielmehr gilt die „Grundentscheidung” bis zu einer wirksamen Änderung fort, vgl. dazu u.a. BFH vom 24.9.2008, X R 58/06 (BStBl 2009 II S. 368).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3