Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
1. Ein von einem Unternehmer einem Diabetiker zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels unentgeltlich zugewendetes Set – bestehend aus Blutzuckermessgerät, Stechhilfe und Teststreifen –, das einen späteren Verkauf der Teststreifen fördern soll, ist kein Warenmuster i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.
2. Ob das Set ein nicht umsatzsteuerbares Geschenk von geringem Wert i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG ist, hängt von der Einhaltung der Wertgrenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ab.
Normenkette
§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG, § 118 Abs. 2 FGO, Art. 5 Abs. 6 6. EG-RL, Art. 16 MwStSystRL, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Eine GmbH (Klägerin) überließ über Ärzte, Schulungszentren für Diabetiker etc. Diabetikern kostenlos Sets zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels. Die in einem Karton verpackten Sets bestanden aus einem elektronischen Blutzuckermessgerät, einer Stechhilfe und einer geringen Anzahl von Teststreifen.
Das Blutzuckermessgerät konnte nur mit den in dem Set enthaltenen und von der Klägerin auch separat vertriebenen Teststreifen genutzt werden, die jeweils zum einmaligen Gebrauch geeignet waren. Das Geschäftsmodell beruhte darauf, dass ein Diabetiker mit dem ihm vertrauten System weiter messen will und sich die für das geschlossene System benötigten Teststreifen selbst kauft oder vom Arzt verschreiben lässt, um sie dann zu erwerben.
Das FA unterwarf die Abgabe der Sets – für deren Herstellung die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte – gem. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG der Umsatzbesteuerung.
Das FG gab der Klage statt. Es war der Ansicht, das Set sei als (zusammengesetztes) Warenmuster von der Besteuerung nach dieser Vorschrift ausgenommen.
Entscheidung
Dem folgte der BFH nicht. Er entschied, dass das hier zu beurteilende Set kein Warenmuster i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG für die beworbenen Teststreifen darstelle. Denn mit der unentgeltlichen Abgabe des Sets habe lediglich der Absatz von (nachzukaufenden) Teststreifen gefördert werden sollen, nicht aber auch ein späterer entgeltlicher Erwerb eines weiteren Sets oder eines weiteren Blutzuckermessgeräts oder einer weiteren Stechhilfe. Durch das Geschäftsmodell habe sich der Diabetiker den Kauf des Blutzuckermessgeräts und der Stechhilfe erspart. Einen derartigen umsatzsteuerrechtlich unbelasteten Letztverbrauch wolle § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG gerade verhindern.
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, weil dessen bisher getroffenen Feststellungen nicht ausreichten, um beurteilen zu können, ob die Überlassung eines Sets ein "Geschenk von geringem Wert" im Sinne des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG an die jeweiligen Diabetiker sei.
Hinweis
Einer der Umsatzsteuer unterliegenden Lieferung gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) wird gem. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG jede unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands für Zwecke des Unternehmens gleichgestellt; ausgenommen sind Geschenke von geringem Wert und Warenmuster. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2012 – XI R 36/10