Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, kann er nur dann zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (Bestandsvergleich) wechseln, wenn er zu Beginn des entsprechenden Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufstellt. Die Verwendung eines Buchführungsprogramms, welches die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zulässt bzw. diese automatisch erstellt, ist jedenfalls keine zulässige Ausübung des Wahlrechts, wenn der Steuerpflichtige auf Grund der laufenden Buchführung tatsächlich nur eine Einnahme-Überschuss-Rechnung erstellt.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war als freiberuflicher Architekt selbständig tätig und ermittelte für die Streitjahre 1992 bis 1995 seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschuss-Rechnung. Nach Ergehen von steuererhöhenden Änderungsbescheiden infolge einer Außenprüfung beantragte er im Einspruchsverfahren den Übergang zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich. Hierdurch ergab sich eine wesentlich gleichmäßigere Verteilung des Bp-Mehrgewinns auf die Streitjahre mit entsprechendem Progressionsvorteil. Das Finanzamt sah hierin einen unzulässigen Wechsel der Gewinnermittlungsart.
Entscheidung
Das Gericht entschied, dass der Steuerpflichtige als Freiberufler seinen Gewinn sowohl durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 5 EStG) als auch durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) ermitteln kann. Das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach Einnahme-Überschuss-Grundsätzen kann jedoch nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden und zwar in der Regel dadurch, dass der Steuerpflichtige keine Eröffnungsbilanz erstellt und keine Buchführung einrichtet, sondern die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzeichnet. Der Freiberufler, der zu Beginn des entsprechenden Gewinnermittlungszeitraums zum 1. Januar keine Eröffnungsbilanz aufstellt, hat damit sein Wahlrecht zugunsten der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt. Der nachträgliche Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide ist daher nicht zulässig.
Hinweis
Hat der Steuerpflichtige sein Wahlrecht ausgeübt, kommt eine Änderung frühestens für einen Zeitraum in Betracht, für den er noch kein Wahlrecht ausgeübt hat. Damit soll Gewinnmanipulationen entgegengewirkt werden, die ansonsten möglich wären, wenn der Steuerpflichtige am Jahresende ermittelt, welche Gewinnermittlungsart zu einem niedrigeren Gewinn führt. Zu der in der Fachliteratur geäußerten Kritik an der bisherigen BFH-Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Wahlrechtsausübung (BFH, Urteil v. 9.11.2000, IV R 18/00, BStBl 2001 II S. 102) brauchte das Gericht auf Grund der eindeutigen Wahlrechtsausübung des Steuerpflichtigen nicht Stellung zu nehmen. Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az des BFH: IV B 107/04).
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 29.03.2004, 1 K 5817/00 E