Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
Variabel verzinsliche Wertpapiere, die keine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite haben, werden nicht vom Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c oder d EStG erfasst.
Normenkette
: EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d
Sachverhalt
Der Kläger erwarb am 8.6.1993 Wertpapiere (sog. Floating Rate Notes = Floater) im Nennwert von 80000 Australische Dollar. Die Papiere wurden am 2.7.1992 zum Kurs von 99,61 % emittiert und hatten eine Laufzeit von 5 Jahren. Die Höhe des Zinssatzes richtete sich bei sechs-monatiger Anpassung mit einem Abschlag von 0,05 % nach dem "LIBOR" (London Interbank Offered Rate).
Der Kläger versteuerte die halbjährlich zugeflossenen Zinsen. Streitig war, ob der Kläger den bei Einlösung der Papiere am 17.7.1997 erzielten Wechselkursgewinn i.H. von 17578 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und/oder d EStG versteuern musste.
Das Finanzamt bejahte dies. Das Finanzgericht gab der Klage statt (vgl. EFG 1999, 701).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Die in Satz 1 Nr. 4 des § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG getroffene Regelung, dass die Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Kapitalforderungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, soweit sie der "rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite" entsprechen, sei ihrem Wortlaut gemäß dahin zu verstehen, dass Wertpapiere ohne eine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite, wie Floater, nicht unter den gesetzlichen Tatbestand fielen.
Zu einem anderen Gesetzesverständnis führe auch nicht § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG, wonach dann, wenn der Steuerpflichtige die Emissionsrendite nicht nachweise, "der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen als Kapitalertrag" (sog. Marktrendite) gelte.
Hierbei handele es sich um eine Beweislastregelung, die an den Tatbestand des vorangehenden Satzes 1 anknüpfe. Ihr fehle die Grundlage, und sie sei nicht anwendbar, wenn der Tatbestand des Satzes 1 nicht erfüllt sein könne, weil die konkrete Kapitalanlage ihrer Art nach keine Emissionsrendite i.S. des Gesetzes habe. Ein Gesetzgeber, der Rechtsfolgen an einen fehlenden Nachweis knüpfe, setze vernünftigerweise die objektive Möglichkeit des Nachweises voraus.
Hinweis
Sog. Floater sind variabel verzinsliche Schuldverschreibungen, bei denen der Zinssatz viertel- oder halbjährlich im Voraus unter Bezug auf einen Referenzzinssatz des Geldmarkts festgelegt wird (Dötsch in Kirchhof/Söhn, EStG, § 20 Rz. O 117, "Floater").
Im vorliegenden Fall war umstritten, ob der vom Kläger bei Endfälligkeit (Einlösung) des Floaters erzielte Wechselkursgewinn als "Marktrendite" i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu versteuern war. Dies hat der BFH zutreffend verneint.
Die vom Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG angeordnete Besteuerung nach der Marktrendite stellt einen Systembruch dar, weil sie auch solche Wertsteigerungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst, die sich nicht als Kapitalertrag (= Früchte der Kapitalüberlassung) erweisen, sondern auf den Vermögensstamm entfallen.
Eine Besteuerung nach der Marktrendite ist vor dem Gebot der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige die als Kapitalertrag in Betracht kommende "Emissionsrendite", obwohl er dies objektiv könnte, nicht nachweist. Ist ein solcher Nachweis aber, wie das bei den Floatern zutrifft, mangels Vorhandenseins einer Emissionsrendite von vornherein objektiv unmöglich, so scheidet eine Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c und d EStG auch unter Ansatz der Marktrendite aus.
In Betracht kommt dann allenfalls eine Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. auch BMF, Schreiben vom 20.1.1994, IV B 4 – S 1980 – 5/94, FR 1994, 206, unter Nr. 4, Betr. Einfache Floater).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.10.2000, VIII R 28/99