Leitsatz
* 1. Können für die Feststellung der handelsüblichen Qualität einer Ware, für die Ausfuhrerstattung begehrt wird, die in der Gemeinschaft bestehenden Vermarktungsnormen herangezogen werden?
2. Findet Art. 70 ZK Anwendung, wenn es darum geht festzustellen, ob eine Ware, für die Ausfuhrerstattung begehrt wird, von handelsüblicher Qualität ist?
3. Welche Wirkung hat vorgenannte Beschaffenheitsfiktion, wenn mehrere Proben aus der einheitlichen angemeldeten Ausfuhrsendung entnommen worden sind und bei der Untersuchung eines Teils der Proben eine handelsübliche Qualität, bei einem anderen Teil hingegen keine handelsübliche Qualität festgestellt worden ist?
* Leitsätze nicht amtlich
Normenkette
Art. 13 Unterabs. 1 EWGV 3665/87 , Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EWGV 1538/91 , Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 3 EWGV 1538/91 , Art. 7 Abs. 5 EWGV 1538/91 , Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK , Art. 71 ZK
Sachverhalt
Zwei Sendungen gefrorene Grillhähnchen, bestehend aus jeweils rund 3.000 Kartons mit zehn bis 12 Hähnchen, wurden zur Ausfuhr angemeldet. Im Rahmen der Beschau der Warensendungen ließ das Zollamt jeweils eine Untersuchungs- und eine Rückstellprobe von der ZPLA untersuchen. Dabei wurden bei den beiden aus der ersten Sendung entnommenen Proben Mängel festgestellt, welche die Gewährung von Ausfuhrerstattung ausschließen. Bei der zweiten Sendung wies nur die Untersuchungsprobe einen solchen Mangel (offener Bruch der linken Flügelspitze) auf, während die Rückstellprobe einwandfrei war.
Das HZA hat die Ausfuhrerstattung für beide Sendungen auf 0 DM festgesetzt. Das FG hat das für die erste Sendung bestätigt; bei der zweiten Sendung hat es die Hälfte der für diese Sendung zu berechnenden Ausfuhrerstattung gewährt.
Entscheidung
Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung (Art. 234 EG) vorgelegt, die in den Praxis-Hinweisen erläutert sind.
Hinweis
1. Nach Art. 13 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (heute: Verordnung (EG) Nr. 800/1999) wird Ausfuhrerstattung nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind. Maßgebend dafür ist, ob das Erzeugnis nach den in der Gemeinschaft geltenden Bestimmungen unter normalen Bedingungen und unter der im Erstattungsantrag angegebenen Bezeichnung vermarktet werden kann. Das spricht dafür, dass vor der Gewährung von Ausfuhrerstattung jeweils zu prüfen ist, ob die ausgeführte Ware allen einschlägigen gemeinschaftsrechtlich festgelegten Qualitätsstandards, Vermarktungsnormen usw. entsprach.
Da deren zahlreiche sind, würde dies einen erheblichen Prüfungsaufwand zur Folge haben. Deshalb hat der BFH (leichte) Zweifel angedeutet, ob wirklich alle diese Normen ausfuhrerstattungsrechtlich zu berücksichtigen sind und insbesondere die im Streitfall einschlägige für Geflügel, die auch einige spezielle Auslegungsprobleme aufwirft, die hier nicht erörtert werden sollen.
2. Art. 70 und Art. 71 VO ZK sind auch im Ausfuhrerstattungsrecht anzuwenden. Nach dem Inhalt der Ausfuhranmeldung bzw. des Ergebnisses einer von der Zollbehörde angeordneten Warenbeschau ist deshalb zu fingieren, dass die angemeldete Ware eine Ware bestimmter Art, Menge usw. war. Das steht freilich im Widerspruch zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen; denn danach hat grundsätzlich der Ausführer die Voraussetzungen für seinen angeblichen Erstattungsanspruch nachzuweisen. Deshalb erscheint fraglich, ob er sich auch dann auf die Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 bzw. des Art. 71 Abs. 2 ZK berufen kann, wenn das Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifelhaft ist.
Gilt dies auch für die handelsübliche Qualität der Ware? Das ist die nächste Frage. Es kann zweifelhaft erscheinen, weil die vorgenannten Vorschriften in Zusammenhang mit der Zollanmeldung stehen. Zur handelsüblichen Qualität wird der Exporteur aber in der von ihm abzugebenden Ausfuhranmeldung, deren Überprüfung die Beschau dient, keine (jedenfalls keine ausdrücklichen und substanziellen) Angaben machen.
3. Welche Wirkung hat die Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2913/92, wenn mehrere Proben aus einer einheitlich angemeldeten Ausfuhrsendung entnommen worden sind und bei der Untersuchung eines Teils der Proben eine handelsübliche Qualität, bei einem anderen Teil hingegen keine handelsübliche Qualität festgestellt worden ist? Wie also ist im Ausfuhrerstattungsrecht Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 VO ZK bei sich widersprechenden Beschauergebnissen anzuwenden?
Es kann die Beschaffenheitsfiktion schwerlich Platz greifen, denn die eine Fiktion hebt die andere ja gerade auf. Man wird eine einheitlich angemeldete Warensendung auch schwerlich im Verhältnis der Anzahl der gewonnenen Untersuchungsergebnisse in fiktive Teilsendungen aufteilen und jeder fiktiven Teilsendung eines der Untersuchungsergebnisse zuordnen können. Oder soll man gar die Ausfuhrsendung in fiktive Teilsendungen nach dem (zufälligen) Gewichtsverhältnis der Probe und der Rückstellprobe aufteilen (so im Besprechungs...