Leitsatz
Ausgleichszahlungen, die ein Arbeitnehmer, dem eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zugesagt worden ist, leistet, um bei einem Arbeitgeberwechsel die Anrechnung von Dienstzeiten durch den neuen Arbeitgeber zu erreichen, sind als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1, § 10, § 11, § 12, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 66 Abs. 1, § 66 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG
Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 1. April 2007 aufgrund eines auf fünf Jahre befristeten Arbeitsvertrags als Vorstandsmitglied bei der Sparkasse A angestellt. Die Sparkasse A sagte dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu.
Der Kläger schloss mit der Sparkasse A im April des Streitjahres (2009) einen Auflösungsvertrag, weil er ab dem 1. Mai 2009 eine Tätigkeit als Vorstandsmitglied bei der Sparkasse B aufnehmen wollte. Die Sparkasse A und die Sparkasse B schlossen im Einverständnis mit dem Kläger eine Vereinbarung über die Übertragung der bei der Sparkasse A gebildeten Pensionsrückstellungen auf die Sparkasse B.
Aufgrund dieser Vereinbarung übertrug die Sparkasse A den Wert der vom Kläger erworbenen (noch verfallbaren) Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung (Übertragungswert) vollständig auf die Sparkasse B. Anschließend sagte die Sparkasse B dem Kläger ebenfalls eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu. Die neue Zusage wurde sofort unverfallbar erteilt. Hierfür hatte der Kläger an die Sparkasse A den Übertragungswert seiner dort erdienten Anwartschaften zu zahlen Die Sparkasse A reichte diesen Betrag vereinbarungsgemäß an die Sparkasse B weiter.
Der Kläger machte die an die Sparkasse A geleistete Zahlung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das FA erkannte die Zahlung auch im Einspruchsverfahren jedoch nicht als Werbungskosten an.
Das FG wies die Klage ab. Bei der vom Kläger an die Sparkasse A geleisteten Zahlung handele es sich nicht um Werbungskosten. Sie bewirke vielmehr, dass das dem Kläger zugesagte Ruhegeld bei seiner Auszahlung neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit teilweise auch zu sonstigen Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG führe (Sächsisches FG, Urteil vom 11.11.2014, 6 K 1543/13, Haufe-Index 8030584).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das angefochtene Urteil aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen auf und gab der Klage statt.
Hinweis
1. Aufwendungen sind als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (z.B. BFH, Urteil vom 17.6.2010, VI R 33/08, BFH/NV 2010, 2051, m.w.N.).
2. Danach sind Zahlungen zur Anrechnung geleisteter beamtenrechtlicher Dienstzeiten bei einem Wechsel zu einem ebenfalls öffentlich-rechtlich verfassten Dienstherrn als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn sie dienen rechtlich und wirtschaftlich der Erhöhung der nachträglichen Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bei dem neuen Dienstherrn.
Dies macht der Streitfall deutlich. Durch die Übernahme der Versorgungsanwartschaft und die damit verbundene Anrechnung der bei der Sparkasse A abgeleisteten Dienstzeiten erhöhten sich die ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten des Klägers bei der Sparkasse B. Da die Höhe des Ruhegehalts des Klägers bei der Sparkasse B entsprechend §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BeamtVG u.a. von der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit abhängt, führt deren Erhöhung auch zu höheren (künftigen) Versorgungsbezügen des Klägers. Damit stand die Zahlung in objektivem Zusammenhang mit den künftigen Versorgungsbezügen des Klägers gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und diente auch subjektiv der Erzielung dieser Einkünfte.
3. Derartige Zahlungen werden – entgegen der Auffassung des FA und des FG – nicht zur Begründung einer Anwartschaft auf eine Leibrente i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG geleistet.
Das Anwartschaftsrecht auf Versorgungsleistungen ist auch bei einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen dem Versorgungsberechtigten einkommensteuerrechtlich nicht als ein eigenes Wirtschaftsgut zuzurechnen, sondern vermittelt erst nach Abschluss der Erwerbsphase eine geldwerte Rechtsposition. Folglich kann die Zahlung eines Geldbetrags für die Übertragung eines solchen – während der Erwerbsphase steuerrechtlich irrelevanten – Anwartschaftsrechts ebenfalls keine Anwartschaft auf eine Leibrente i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG begründen.
Zahlungen zur Sicherung von Vordienstzeiten stellen damit keine Anschaffungskosten i.S.v. § 255 Abs. 1 HGB dar, die nach ständiger Rechtsprechung des BFH jedenfalls nicht schon im Jahr der Zahlung steuerlich zu berücksichtigen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.1...