Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Aufwendungen für ein im Anschluss an das Abitur durchgeführtes Medizinstudium können auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein (Fortentwicklung der Rechtsprechung zu Senatsurteil vom 20.07.2006, VI R 26/05, BFH/NV 2006, 1974, BFH/PR 2006, 395).
Normenkette
§ 12 Nr. 5, § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Nachdem K ihre Schulausbildung 2004 mit dem Abitur abgeschlossen hatte, studierte sie vom 01.02.2005 bis einschließlich Sommersemester 2006 Humanmedizin in Ungarn. In Deutschland hatte sie zuvor dafür keinen Studienplatz erhalten; auch nicht im Wege der Klage. K machte mit ihren ESt-Erklärungen für 2004 und 2005 Aufwendungen für ihr Studium (11 453 EUR, 12 080 EUR) als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit geltend. Das FA lehnte es ab, verbleibende Verlustvorträge in entsprechender Höhe festzustellen. Die Klage blieb erfolglos (FG Hamburg, Urteil vom 25.11.2009, 5 K 193/08, Haufe-Index 2306171, EFG 2010, 873).
Entscheidung
Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses wird nun zu prüfen haben, ob und welche Aufwendungen der K in einem hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang stehen und deshalb als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Hinweis
Während das Besprechungsurteil VI R 38/10 (Haufe-Index 2730451) den Fall einer Erstberufsausbildung (Berufspilot) betraf, klärt das Besprechungsurteil hier die Behandlung von Berufsausbildungskosten, die einem Steuerpflichtigen durch ein Erststudium entstehen. Der BFH legt dieselben Rechtsgrundsätze zugrunde und gelangt daher auch bei Aufwendungen für ein Erststudium dazu, dass diese unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG vorweggenommene Werbungskosten sein können, wenn – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für einen Werbungskostenabzug – ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen Aufwendungen und den damit erstrebten Einnahmen besteht. Einen solchen Veranlassungszusammenhang hat der BFH schon früher angenommen, wenn das Studium Berufswissen vermittelt und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (BFH, Urteile vom 20.07.2006, VI R 26/05, BFH/NV 2006, 1974, BFH/PR 2006, 395; vom 18.06.2009, VI R 14/07, BFH/NV 2009, 1875, BFH/PR 2009, 405).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.07.2011 – VI R 7/10