Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Schuldzinsen nach Veräußerung einer Immobilie sind auch dann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige infolge hoher Vorfälligkeitsentschädigungen zur Minderung der Zinslast den Verkaufserlös festverzinslich anlegt.
Sachverhalt
Streitig war die steuerliche Berücksichtigung von Schuldzinsen nach der Veräußerung einer 2007 veräußerten, bei Anschaffung fremdfinanzierten Immobilie (Supermarkt). Den Erlös aus der Veräußerung verwandte der Steuerpflichtige nicht zur Tilgung des Anschaffungskredits, da aufgrund der noch längerfristigen Zinsbindung Vorfälligkeitsentgelte in nicht unerheblichem Umfang zu zahlen gewesen wären. Stattdessen legte der Steuerpflichtige den Erlös im Wesentlichen zinsbringend an.
Das Finanzamt versagte den Abzug der weiterhin gezahlten Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung, da der Veräußerungserlös nicht zur Schuldentilgung eingesetzt wurde.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die eingelegte Klage ab. Mit der erstmaligen Verwendung eines Darlehens zur Anschaffung/Herstellung eines Vermietungsobjekts wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt. Derartige Schuldzinsen können auch nach einer Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter steuerlich berücksichtigt werden. Ob dies der Fall ist, hängt allerdings davon ab, wie der Veräußerungserlös verwendet wird. Setzt der Steuerpflichtige den Veräußerungserlös für die Anschaffung bzw. Herstellung einer neuen Einkunftsquelle ein, besteht der wirtschaftliche Zusammenhang an eben jener Einkunftsquelle - quasi als Surrogat - fort; die Schuldzinsen aus dem nicht abgelösten Darlehen können grundsätzlich als Werbungskosten/Betriebsausgaben bei der neu erworbenen Einkunftsquelle in Abzug gebracht werden. Erwirbt der Steuerpflichtige dagegen kein "Ersatzwirtschaftsgut", steht der Abzug der nachlaufenden Schuldzinsen grundsätzlich unter dem Vorbehalt der vorrangigen Schuldentilgung; denn ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung besteht insoweit nicht mehr, als die Zinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Erlös aus der Veräußerung des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können.
Im Streitfall brauchte das Finanzgericht nicht darüber zu befinden, ob die Nichtbeachtung des Grundsatzes des Vorrangs der Schuldentilgung durch den Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Vermeidung einer Vorfälligkeitsentschädigung aufgrund wirtschaftlich vernünftiger Motive ausnahmsweise unbeachtlich ist, die Vorfälligkeitsentschädigung somit ein tatsächliches (wirtschaftliches) Tilgungshindernis darstellt. Denn das Gebot der vorrangigen Schuldentilgung findet nur dann Anwendung, wenn der Steuerpflichtige den Veräußerungserlös nicht für den Erwerb einer anderen Einkunftsquelle einsetzt. Ist dies dagegen der Fall, stellt er ab diesem Zeitpunkt einen Veranlassungszusammenhang der neuen Einkunftsquelle zur ursprünglichen Darlehensverbindlichkeit und den hieraus herrührenden - fortlaufenden - Schuldzinsen her. Im Streitfall war damit lediglich über einen weiteren Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu befinden, der jedoch in 2008 mangels Einkünfteerzielungsabsicht versagt wurde.
Hinweis
Wer nach Veräußerung einer Immobilie vor der Frage steht, ob er den Veräußerungserlös zur Ablösung noch bestehender Schulden oder zur Anlage im bereich der Kapitaleinkünfte verwenden will, muss beachten, dass nach Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen generell ausgeschlossen ist, so dass weiterhin gezahlte Schuldzinsen steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden können. Dies gilt jedoch z. B. dann nicht, wenn der Steuerpflichtige den Erlös in den Erwerb eines neuen Vermietungsobjekts oder im bereich der Gewinneinkünfte (z. B. zum Erwerb eines Mitunternehmeranteils) investiert.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 11.03.2016, 4 K 173/13 E