Leitsatz
Auch wenn eine wirtschaftliche Betätigung durch landesrechtliche Regelungen in einem einzelnen Bundesland ausschließlich der öffentlichen Hand vorbehalten ist (hier: der Betrieb eines kommunalen Krematoriums in Nordrhein-Westfalen), handelt es sich nur dann um einen Hoheitsbetrieb i.S.v. § 4 Abs. 5 S. 1 KStG, wenn der Markt für die angebotene Leistung örtlich so eingegrenzt ist, dass eine Wettbewerbsbeeinträchtigung steuerpflichtiger Unternehmen in anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden kann.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 und Abs. 5 KStG, § 2 Abs. 1 GewStDV
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Kommune, betreibt ein Krematorium, das als organisatorisch und finanzwirtschaftlich unselbstständiger Regiebetrieb geführt wird.
Das FA beurteilte diese Tätigkeit als einen Betrieb gewerblicher Art (BgA). Die hiergegen erhobene Klage war zunächst erfolgreich (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2007, 15 K 4884/06 KE,K,G, Haufe-Index 1827684, EFG 2007, 1547), …
Entscheidung
… scheiterte sodann aber vor dem BFH, der aufgrund des Wettbewerbs unter öffentlich und privat betriebenen Krematorien innerhalb der Bundesrepublik und im anrainenden Ausland keinen Hoheitsbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG annahm.
Hinweis
1. Zur Ausgangslage:
Feuerbestattungen erfreuen sich heutzutage augenscheinlich einer recht großen Nachfrage. Im Jahr 2006 sollen rund 400 000 Einäscherungen erfolgt sein. Dementsprechend wächst der Markt einschlägiger Anbieter. Derzeit soll es in Deutschland rund 120 Krematorien geben, i.d.R. und traditionell als Hoheitsbetriebe, daneben aber in zahlreichen Bundesländern auch als Privatbetriebe, der Zahl nach wohl etwa 30.
2. Über die steuerlichen Folgen dieser Ausgangslage hatte nun der BFH zu entscheiden:
a) Soweit die Krematorien von privaten Unternehmen betrieben werden, unterliegen sie der Besteuerung. Entsprechende Aktivitäten der öffentlichen Hand sind das aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit nur dann, wenn sie gewerblich sind. Hingegen ist die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nach § 4 Abs. 5 S. 1 KStG im Grundsatz steuerfrei.
b) In NRW – und darüber war vom BFH zu urteilen – wird die Leichenverbrennung nach Maßgabe des Bestattungsgesetzes als eine öffentliche Aufgabe angesehen. Es besteht lediglich die Möglichkeit, diese Aufgabe auf einen privaten Krematoriumsbetreiber zu übertragen. So gesehen hätte manches für die Steuerbefreiung gesprochen.
Gleichwohl hat der BFH eine steuerpflichtige gewerbliche Tätigkeit angenommen, letztlich wegen der von ihm angenommenen Wettbewerbssituation:
Zum einen herrscht auch in NRW zwischen privaten und öffentlichen Krematoriumsbetreibern Wettbewerb. Öffentliche und private Krematorien können ihre Preise frei gestalten, und die Kunden sind nicht verpflichtet, ein bestimmtes Krematorium auszuwählen.
Zum anderen bieten die Betreiber von Krematorien aus dem In- und Ausland ihre Dienste nicht nur für Leichenverbrennungen aus dem unmittelbaren örtlichen Umfeld, sondern überregional an. Deshalb kann eine Wettbewerbsbeeinträchtigung privater Unternehmen in anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten (aus NRW-Sicht namentlich Holland) nicht ausgeschlossen werden. Es existiert ein tatsächlicher und ebenso ein potenzieller Angebots- und Nachfragemarkt.
Einschlägiges (aus dem Internet ersichtliches) Stichwort ist hier dasjenige des sog. Leichentourismus: Es wird von hohen Rabatten, Sammeltransporten, Rückvergütungen und Dumpingpreisen berichtet (www.Freitag.de/2007/38/07381901.php), sogar von einem "Kampf um die Asche" mit einer "ungesunden, ja ruinösen Dichte an Krematorien" und der Gefahr einer "Marktsättigung" ("SZ" vom 28.07.2006). Speziell aus dem Berliner Raum wird Ähnliches berichtet: Berlin betreibt seine Krematorien wie NRW in hoheitlicher Form, Brandenburg hält "privat" dagegen, letztlich, um mit günstigeren Preisen von der Großstadt zu profitieren. Aus Brandenburg ist allerdings auch der gegenteilige Effekt verbürgt: In Cottbus senkte die Stadt die Gebühren für das von ihm öffentlich betriebene Krematorium so stark, dass ein privat betriebenes Konkurrenzkrematorium schließen musste.
Dass tatsächlich Wettbewerb auch auf diesem eher pietistischen Terrain besteht, ist damit jedenfalls hinlänglich unter Beweis gestellt. Eine gewerbesteuerfreie "Insel" in Gestalt eines einzelnen Bundeslands lässt sich vor diesem Hintergrund nicht halten. Das "Hoheitliche" in § 4 Abs. 5 S. 1 KStG muss normspezifisch verstanden werden.
3. Bemerkenswert ist das Urteil jenseits der Spezifika des Feuerbestattungswesens vor allem deswegen, weil der BFH vor einigen Jahren – im Urteil vom 23.10.1996, I R 1, 2/94 (Haufe-Index 66088, BStBl II 1997, 139) – für die kommunale Entsorgung von Hausmüll noch anders entschieden hatte. Dass auch hier ein tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerb zu Personen des Privatrechts besteht, kann mittlerweile kaum mehr in Zweifel gezogen werden. So gesehen stellt sich die Frage, ob diese "alte" Entscheidung noch uneingeschränkt aufrechterhalten werde...