Leitsatz
Der Widerruf einer Zustimmung zum Realsplitting kann sowohl gegenüber dem für die Veranlagung des Unterhaltsleistenden zuständigen FA als auch gegenüber dem für die Veranlagung des Unterhaltsempfängers zuständigen FA erklärt werden. Dieser Widerruf stellt eine neue Tatsache dar, die zur Änderung der bestandskräftigen Veranlagung des Unterhaltsleistenden berechtigt. Der Änderung steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung des Unterhaltleistenden dem für die Veranlagung des Unterhaltsempfängers zuständigen Veranlagungsbezirk der Widerruf der Zustimmung bereits zugegangen war.
Sachverhalt
Der Kläger ist geschieden und zur monatlichen Unterhaltszahlung an seine geschiedene Ehefrau verpflichtet. In den Veranlagungszeiträumen, die den Streitjahren vorausgingen, wurden die Unterhaltszahlungen antragsgemäß als Sonderausgaben berücksichtigt. Mit Schreiben vom 10.9.2000 widerrief die frühere Ehefrau des Klägers die Zustimmung zur Versteuerung der Unterhaltsleistungen. Der für die Veranlagung der früheren Ehefrau zuständige Veranlagungsbezirk des Beklagten fertigte einen Vermerk, dass der Widerruf ab 2001 gültig sei. In den ESt-Erklärungen für die Streitjahre 2001 und 2002 machte der Kläger Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben geltend, die antragsgemäß berücksichtigt wurden. Am 5.9.2003 erhielt der für den Kläger zuständige Veranlagungsbezirk eine am 3.9.2003 gefertigte Kontrollmitteilung über den Widerruf der Zustimmung. Am 29.10.2003 erließ der Beklagte nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderte ESt-Bescheide für die Streitjahre, in denen die Unterhaltsleistungen nicht mehr als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Der Einspruch hatte keinen Erfolg und wurde mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidung
Auch die Klage blieb erfolglos. Da der Widerruf der Zustimmung zum Realsplitting mit Eingang bei dem für die Unterhaltsberechtigte zuständigen Veranlagungsbezirk im Jahr 2000 wirksam geworden sei, führe der Mangel der Zustimmung ab dem Jahr 2001 notwendigerweise zur Versagung des vom Kläger begehrten Sonderausgaben-Abzugs. Dem Beklagten sei der Widerruf der Zustimmung zum Realsplitting erst nachträglich bekannt geworden. Der erkennende Senat führt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH aus, dass das Wissen des Wohnsitz-FA der früheren Ehefrau um den Widerruf dem für die Veranlagung des früheren Ehemanns zuständigen FA nicht zugerechnet werden könne, denn maßgeblich sei der Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalles berufenen Dienststelle (vgl. BFH, Urteil v. 2.7.2003, XI R 8/03, BStBl 2003 II S. 803). Nichts anderes könne für den Fall gelten, dass innerhalb eines FA verschiedene Veranlagungsbezirke für den Kläger und dessen frühere Ehefrau zuständig seien. Dass der für die frühere Ehefrau zuständige Bezirk seiner Pflicht zur Fertigung einer Kontrollmitteilung nicht nachgekommen sei, führe nicht zu einer Zurechnung des Wissens dieses Bezirks beim Veranlagungsbezirk des Klägers.
Hinweis
Die Revision wurde zwar durch den erkennenden Senat nicht zugelassen, doch war die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich, so dass die Zulassung der Revision durch den BFH erfolgte (BFH, Beschluss v. 1.12.2006, XI B 98/06 - nicht dokumentiert -). Das Beschwerdeverfahren wird nunmehr beim BFH als Revisionsverfahren unter dem Az. XI R 48/06 fortgeführt. Die Entscheidung in diesem Revisionsverfahren ist im Hinblick auf die Abgrenzung zu dem vorgenannten Urteil des BFH vom 2.7.2003, XI R 8/03, BStBl 2003 II S. 803 mit Spannung zu erwarten. Der Berater sollte daher in vergleichbaren Fällen gegen Änderungsbescheide aufgrund des Widerrufs der Zustimmung zum Realsplitting Einspruch einlegen und das Einspruchsverfahren mit Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren ruhen lassen.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2006, 6 K 1481/06