Leitsatz
Die Zustimmung zum Realsplitting kann sowohl gegenüber dem Wohnsitz-FA des Unterhaltsleistenden als auch des Unterhaltsempfängers widerrufen werden. Ein Widerruf gegenüber dem Wohnsitz-FA des Unterhaltsempfängers schließt den Sonderausgabenabzug des Unterhaltsleistenden aus.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1 , § 22 Nr. 1a EStG
Sachverhalt
Der Kläger erbrachte in den Streitjahren 1995 bis 1998 Unterhaltsleistungen an seine von ihm getrennt lebende Ehefrau. Er beantragte dafür jeweils den Sonderausgabenabzug und verwies auf die von der früheren Ehefrau erteilte Zustimmung vom 18.2.1992. Das FA veranlagte erklärungsgemäß.
Am 22.9.2000 erhielt das FA eine Mitteilung des für die geschiedene Ehefrau zuständigen FA in R., nach der diese die Zustimmung zum Realsplitting am 28.12.1994 widerrufen habe. Daraufhin änderte das FA des Klägers die bestandskräftigen Bescheide 1995 bis 1998 nach § 173 AO.
Das FG gab der Klage statt. Der Widerruf hätte gegenüber dem für den Kläger zuständigen FA erklärt werden müssen; bis dahin sei die Zustimmung wirksam.
Entscheidung
Der BFH hob auf die Revision des FA das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab.
Der Widerruf könne gegenüber beiden FÄ erklärt werden. Da dem beklagten FA der Widerruf erst nachträglich bekannt geworden sei, habe es die Bescheide gem. § 173 AO zum Nachteil des Klägers ändern dürfen.
Hinweis
1.Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten können im Rahmen des sog. Realsplitting als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Der Antrag kann jeweils nur für ein Jahr gestellt und nicht zurückgenommen werden. Die Zustimmung ist – mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1 ZPO als erteilt geltenden – bis auf Widerruf wirksam.
Der Widerruf ist vor Beginn des Kalenderjahrs, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem FA zu erklären (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht, wenn Geber und Empfänger der Unterhaltsleistungen bei unterschiedlichen FÄ veranlagt werden, nicht eindeutig hervor, welches FA für die Entgegennahme der Zustimmung als zuständig anzusehen ist.
2. Der BFH gelangt durch Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung gegenüber beiden FÄ erklärt werden kann. Da es hier um den Sonderausgabenabzug des Unterhaltsleistenden geht, ergibt sich die Zuständigkeit seines FA aus der Stellung der Regelung im Gesetz (vgl. § 2 Abs. 4 EStG). Da nur der Unterhaltsempfänger die Zustimmung widerrufen kann, muss aber auch dessen Veranlagungs-FA als zuständig angesehen werden.
3. Im vorliegenden Fall ist deshalb der Widerruf mit dem Eingang beim FA der Unterhaltsempfängerin im Jahr 1994 wirksam geworden. Ab dem Streitjahr 1995 konnte somit der Sonderausgabenabzug des Klägers versagt werden. Ob das Verhalten der früheren Ehefrau möglicherweise vertragswidrig oder rechtsmissbräuchlich war, müsste in einem Zivilrechtsverfahren geklärt werden.
4. Dem beklagten FA war hier der Widerruf erst nachträglich aufgrund der Mitteilung durch das für die frühere Ehefrau zuständige FA in R. bekannt geworden. Damit lagen die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 AO vor. Der BFH rechnet also das Wissen des einen FA nicht dem anderen FA zu.
Beachte: Der Fall dürfte anders zu entscheiden sein, wenn beide Eheleute bei demselben FA veranlagt werden und der für die Unterhaltsemfängerin zuständige Veranlagungsbeamte die Widerrufserklärung erst nach bestandskräftiger Veranlagung des Unterhaltsleistenden an den für diesen zuständigen Veranlagungsbeamten weitergegeben hat. Der Wissensstand der einen Dienststelle wäre der anderen zuzurechnen, weil beide Dienststellen wegen des sachlichen Zusammenhangs beim Realsplitting zusammenwirken müssten (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.3.1983, I R 182/82, BStBl II 1983, 548).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.7.2003, XI R 8/03