Zweck der Bildung kalkulatorischer Abschreibungen ist die Ermittlung des verursachungsgerechten Werteverzehrs mit dem Ziel der Substanzerhaltung des Unternehmens. Die Unterschiede zu den bilanziellen Abschreibungen können sich dabei auf die drei Bestimmungsfaktoren
- Abschreibungsbasis (Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungswert),
- Potenzialbindung (Nutzungsdauer) und
- Abschreibungsmethode
beziehen.
Preisänderungen
Im Fall steigender Preise reicht die bilanzielle Abschreibung in der Kalkulation nicht aus, um eine spätere Ersatzbeschaffung vollständig aus den Abschreibungsgegenwerten zu finanzieren. Deshalb kann man kalkulatorisch prognostizierte Wiederbeschaffungswerte abschreiben. Neben den Preissteigerungsaspekten können auch Überlegungen bezüglich zukünftiger technologischer Erfordernisse (z. B. Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit) bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes eine Rolle spielen. So wird z. B. der Preis für Personal Computer einer Generation sogar eher fallen als steigen, man würde aber nicht die gleichen Geräte wiederbeschaffen (identische Wiederbeschaffung), sondern die der neuesten Generation (leistungsäquivalente Wiederbeschaffung).
Technische Nutzungsdauer
Die Potenzialbindung bezeichnet in der Regel die zeitliche Nutzungsdauer des Produktionsfaktors. Während in der bilanziellen Betrachtung die Nutzungsdauern in der Regel gesetzlich vorgeschrieben sind (AfA-Tabellen), versucht man in der Kostenrechnung über den Ansatz der tatsächlichen Nutzungsdauer eine periodengerechte Zuordnung zu ermöglichen. Hierbei spielt die technische Nutzungsdauer eine Rolle, die oft durch eine entsprechende Instandhaltungspolitik verändert werden kann. Daneben bestimmt die ökonomische Nutzungsdauer den Zeitpunkt, zu dem aus finanziellen Kalkülen eine Ersatzinvestition sinnvoller wäre. Oft liegt in der Praxis die ökonomische Nutzungsgrenze zeitlich vor der technischen, da die Kosten der alten Anlage durch einen oft stark steigenden Aufwand an Reparatur und Instandhaltung im Zeitablauf steigen.
Ersatzzeitpunkt zuerst festlegen
Da der Ersatzzeitpunkt für die Höhe des Wiederbeschaffungswertes von zentraler Bedeutung ist, sollte dieser zuerst festgelegt werden. Es könnte sich zur Bestimmung des Ersatzzeitpunkts folgender Fragenkatalog als hilfreich erweisen:
Ist die tatsächliche Nutzungsdauer gleich der gesetzlichen Nutzungsdauer?
Wenn dies nicht der Fall ist: Gibt es innerbetriebliche Festlegungen zum Ersatzzeitpunkt?
Wenn dies auch nicht zutrifft: Prognose der technischen Nutzungsdauer inklusive Kostenschätzungen der Reparatur- und Instandhaltungskosten und Prognose der ökonomischen Nutzungsdauer durch Kostenvergleich der im Alter steigenden Kosten der alten Anlage mit den Kosten einer neuen Anlage.
Einbeziehen einer Preissteigerungsrate
Ist der Ersatzzeitpunkt festgelegt, benötigt man eine Preissteigerungsrate. Verschiedene Ansätze, von der Verwendung der allgemeinen Inflationsrate bis zur Benutzung von Branchenindexreihen für spezielle Wirtschaftsgüter, sind hier möglich. Letztendlich sind dies alles vergangenheitsorientierte Werte, die keinen Anspruch auf Gültigkeit für die Zukunft haben können. Bei gleicher Preissteigerungsrate pro Jahr errechnet sich der Wiederbeschaffungswert als Endwert:
Wiederbeschaffungswert = |
Anschaffungswert x (1 + Preissteigerungsrate)Nutzungsdauer |
Kalkulatorische Anlagenwagniskosten
Wird auf eine leistungsäquivalente Wiederbeschaffung Wert gelegt, kommt zur Preissteigerungsrate noch die prognostizierte, durch den technischen Fortschritt bedingte Verteuerungsrate hinzu.
Wird der Wiederbeschaffungswert zu klein prognostiziert oder ist die tatsächliche Nutzungsdauer doch geringer als angesetzt, dann kann planmäßig die Anlage kalkulatorisch nicht voll abgeschrieben werden. Es entstehen so genannte Abschreibungsverluste. Diesem Risiko begegnet man in der Kostenrechnung mit dem Ansatz kalkulatorischer Anlagenwagniskosten. Dabei werden die Abschreibungsverluste eines längeren Vergangenheitszeitraums mit den Abschreibungsgewinnen, die sich aus Abschreibungen über den Wiederbeschaffungswert hinaus ergeben können, saldiert. Dieser Saldo wird durch die Gesamtabschreibungen des Zeitraums dividiert und man erhält den kalkulatorischen Wagniszuschlagssatz als Zuschlag auf die planmäßigen kalkulatorischen Abschreibungen.
Wagniskosten
Beispielhaft soll der Wagnissatz aus den Daten der fünf Vorjahre ermittelt werden.
Tab. 1: Beispielhafte Abschreibungswerte
Jahr |
Abschreibungsverluste |
Abschreibungsgewinne |
Abschreibungen |
01 |
180.000 EUR |
30.000 EUR |
3.252.000 EUR |
02 |
60.000 EUR |
45.000 EUR |
3.800.000 EUR |
03 |
130.000 EUR |
60.000 EUR |
3.200.000 EUR |
04 |
90.000 EUR |
30.000 EUR |
3.400.000 EUR |
05 |
70.000 EUR |
20.000 EUR |
2.890.000 EUR |
Summe |
530.000 EUR |
185.000 EUR |
16.542.000 EUR |
Ermittlung des kalkulatorischen Anlagewagnis in % der kalkulatorischen Abschreibungen für das Jahr 06:
(530.000 – 185.000) / 16.542.000 ≅ 2,09 % |